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Ukrainische Orthodoxie zehn Jahre nach dem Majdan: Richtungen, Fragen, Visionen

RGOW 3-4/2024
Lidiya Lozova

In den zehn Jahren seit der Majdan-Revolution hat sich die ukrainische Kirchenlandschaft dramatisch verändert. Die früher staatsnahe und mächtige Ukrainische Orthodoxe Kirche ist aufgrund ihrer ambivalenten Haltung stark unter Druck geraten. Die beiden früheren unkanonischen Kirchen hingegen sind in Form der Orthodoxen Kirche der Ukraine offiziell anerkannt und autokephal geworden. Nun stellt sich die Frage, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll, und ob es über die konkreten Jurisdiktionsfragen hinaus eine Vision für eine vereinte ukrainische orthodoxe Kirche gibt. 

In der Ukraine waren die Proteste auf dem Majdan – die „Revolution der Würde“ – ein Moment des Erwachens, der schrittweise den wahren Zustand der Dinge in der ukrainischen Orthodoxie offenbarte. Auf dem Majdan schlug sich die „unkanonische“ Orthodoxie (damals die Ukrainische Orthodoxe Kirche – Kyjiwer Patriarchat (UOK–KP) und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche (UAOK)) eher auf die Seite der Protestierenden und ihrer Forderungen nach Menschenrechten, Gerechtigkeit und Europa. Die Kathedrale des Hl. Michael der UOK–KP wurde zum ersten Zufluchtsort für die Verfolgten und Verletzten und verwandelte sich sogar zu einem improvisierten Spital. Während die Protestierenden auf dem Majdan schnell mit der politisch bewussten ukrainischen Zivilgesellschaft assoziiert wurden, lässt sich sagen, dass sich damals auch die „unkanonische Orthodoxie“ auf die Seite der Zivilgesellschaft stellte. 

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die dem Moskauer Patriarchat unterstand, pflegte indes eine ganz andere Rhetorik über den Majdan: Mit wenigen Ausnahmen stellte sie sich auf die Seite der Regierung und rief zu einer Haltung der „byzantinischen Symphonie“ gegenüber den Revolten auf – der Unterdrückung durch staatliche Kräfte. Mit einigen Ausnahmen waren für die Führung der UOK die Protestierenden gottlos, verrückt, vermutlich vom Westen bezahlt und gefährlich für die bestehende Ordnung. Und doch waren es Theologen der UOK, die eine „Theologie des Majdan“ entwickelten, nämlich die Priester Cyril Hovorun, Andriy Dudchenko und Bohdan Ohultschanskij. Sie verorteten die Forderungen des Majdan im Christentum: die Suche nach Gerechtigkeit, Menschenwürde, Solidarität, opferbereites Handeln und ein Aufruf an die Kirche, mit der Zivilgesellschaft und nicht mit dem Staat zu sein. Innerhalb der UOK wurde diese Theologie nie vorherrschend, und keiner ihrer Urheber ist jetzt noch Teil von ihr. 

Auf eine Art war diese Situation logisch: Die UOK–KP und UAOK waren unkanonisch, nicht anerkannt und wurden von der Regierung von Viktor Janukovytsch nicht unterstützt, ihre Parteinahme gegen den Staat war natürlich. Die UOK hingegen war kanonisch, unterstützt von der Regierung und sehr mächtig. Sie wollte und brauchte keinen Dialog mit einer Gesellschaft, die in Opposition zu den bestehenden staatlichen Autoritäten stand, und sie wollte keinen Dialog mit dem „anderen“. Was auch immer jenseits des „kanonischen Rahmens“ existierte, existierte auch für mich kaum. Es war unsichtbar und unerwünscht. Die „andere Orthodoxie“ war nicht das andere, das mit Liebe geheilt werden sollte, es sollte besser gar nicht existieren. 

Verschiebung der Gewichte nach dem Majdan
Die unterschiedlichen kirchlichen Einstellungen machten sich in folgenden Jahren auch in Bezug auf den Krieg im Donbass bemerkbar. Obwohl Menschen sowohl aus der „kanonischen“ als auch „unkanonischen“ Orthodoxie 2014–2022 in der Armee dienten, und obwohl es tatsächlich UOK-Gemeinden gab, die die ukrainische Front unterstützten, machte die UOK-Führung klar, dass sie den „Konflikt im Osten“ als „Bruderkrieg“ – also als Bürgerkrieg – ansah und dass sie keinerlei russische Rolle und Präsenz dort anzuerkennen bereit war. Die „unkanonische“ Orthodoxie, die nicht mit Russland verbunden war, stellte die Verbindung dagegen mühelos her und begann zusammen mit der Zivilgesellschaft die „kanonische“ Seite als prorussisch anzugreifen. Innerhalb von zehn Jahren veränderte sich die Positionierung der orthodoxen Kirchen zum Staat radikal, und die UOK verlor ihre „Symphonie“ mit dem Staat. 

Der Konflikt zwischen den zivilen (proukrainischen) und kirchlichen (prorussischen) Identitäten innerhalb der UOK verschärfte sich. Mit Metropolit Onufrij (Berezovskij) als Oberhaupt wurden die inneren Krankheiten der UOK immer offensichtlicher: Der „apolitische“ Charakter, den die UOK für sich reklamierte, wirkte immer heuchlerischer, als die UOK-Führung im Mai 2015 während einer Schweigeminute für die im Krieg im Donbass Gefallenen im ukrainischen Parlament nicht aufstand. Zudem weigerten sich Geistliche, Begräbnisgottesdienste für Soldaten zu feiern, weil sie diese der Sünde beschuldigten, ihre Brüder getötet zu haben. Narrative über die Notwendigkeit, bei Russland zu bleiben, zunehmende „spirituelle Drohungen“ einiger UOK-Bischöfe an die ukrainische Gesellschaft und ihre eigenen Geistlichen und Gläubigen, die es wagten, anders zu denken, bezeugten eine große und wachsende Krise. 

Mit dem Tomos explodierte die Angelegenheit. Die UOK–KP und die UAOK vereinigten sich mit einem Teil der UOK, um die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) zu bilden, und erhielten vom Ökumenischen Patriarchat die Autokephalie verliehen. Die UOK folgte der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) bedingungslos, als sie die eucharistische Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat auflöste. Die OKU positionierte sich von Anfang an als „Kirche für die Gesellschaft“ – und das war eindeutig ein Erbe des Majdan. Die UOK hingegen positionierte sich als eine apolitische „Kirche für die Kirche“. 

Als die russische Invasion am 24. Februar 2022 begann, unterstützte die OKU wenig überraschend klar den Widerstand der ukrainischen Armee. Die UOK verhielt sich zweideutig. Als Metropolit Onufrij seine Stimme gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin erhob, anerkannten das viele, auch ich. Als das Landeskonzil der UOK in Feofanija im Mai 2022 die „Unabhängigkeit“ der UOK von der ROK verkündete, wollten das viele als Zeichen der Hoffnung auf einen Wandel sehen. Aber echte Veränderungen fanden nicht statt: Metropolit Onufrij verließ weder formell den Hl. Synod der ROK noch protestierte er gegen die Angliederung von UOK-Eparchien in den Russland von besetzten Gebieten an die ROK. Zudem nahm die UOK die eucharistische Gemeinschaft weder mit dem Ökumenischen Patriarchat noch mit der OKU auf. In der UOK begegneten mir häufig Menschen, die den Krieg als „Strafe für unserer Sünden“ betrachten, wobei die größte Sünde die „gottlose“ Revolution auf dem Majdan gewesen sei, die „Russland provozierte“. Der Majdan mit seiner Betonung der Menschenrechte und Freiheit blieb der Kern des Konflikts innerhalb der ukrainischen Orthodoxie. Die UOK schien dagegen weitgehend als Kanal der russischen „Soft Power“ in der Ukraine instrumentalisiert zu werden, mit Fällen von Kollaboration, der weit verbreiteten Vermittlung russischer Narrative, der Weigerung einiger Priester, Begräbnisgottesdienste für ukrainische Soldaten zu feiern und für die Ukraine zu beten, sowie der Kommemoration von Patriarch Kirill. 

Das Gleichnis vom Unkraut unter den Weizen
In der Kriegszeit ist es offensichtlich unmöglich, apolitisch zu sein (wie es die Leitung der UOK oft von ihrer Kirche behauptet). Es ist nur möglich, eine Seite zu wählen: entweder die Ukraine oder Russland. Die Ambivalenz der UOK-Führung gegenüber der Ukraine ist so groß und gefährlich für die nationale Sicherheit, dass im ukrainischen Parlament im Oktober 2023 ein Gesetz entworfen wurde, das das Agieren religiöser Organisationen, die mit Moskau verbunden sind, einschränken soll. Einfach gesagt: Vor dem Majdan war die UOK die mächtigste Jurisdiktion, jetzt dagegen wirkt sie in der ukrainischen Gesellschaft wie „Unkraut“, das aus dem Boden gerissen werden muss, um die guten Samen wachsen zu lassen. 

Politisch gesehen, wäre es durchaus sinnvoll, dieses „Unkraut“ auszureißen. Ich habe nichts dagegen, dass der Staat versucht, die UOK-Frage auf struktureller Ebene anzugehen, auch wenn ich die jüngste Fassung des Gesetzentwurfs 8371 „gegen die UOK“ populistisch und kontraproduktiv finde. Aber zugleich denke ich auch an das Gleichnis vom Unkraut und Weizen aus dem Evangelium. Im Gleichnis sagt Christus: „Mit dem Himmelreich ist wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. 26 Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. 27 Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? 28 Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? 29 Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. 30 Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.“

Die Fragen, die ich angesichts des aktuellen Dilemmas in der ukrainischen Orthodoxie in Lichte dieses Gleichnisses habe, sind die folgenden:

 –    In der Zeit, die sich wie die Zeit der Ernte anfühlt, was genau ist da das Unkraut? Die Kirchenleitung, Gemeinden, Menschen, Kirchengebäude, alles und jeder?

 –    Wer sind die Erntehelfer? Der Staat im Interesse der nationalen Sicherheit? Die ukrainische Zivilgesellschaft? Die OKU?

 –    Gibt es nur in der UOK Unkraut? Auch die OKU hat Probleme aus der gemeinsamen sowjetischen und postsowjetischen Vergangenheit geerbt: rigide hierarchische Strukturen und einen Mangel an Dialog, Formalismus der Rituale, veraltete Zugänge zur theologischen Bildung, das fehlende Bestreben, sich mit den Herausforderungen der Moderne auseinander zu setzen, sowie ein gewisses Vorurteil gegen diejenigen, die aus dem Moskauer Patriarchat kommen. Zudem gibt es Fälle von Gewalt durch Unterstützer der OKU bei Übertritten von Gemeinden von der UOK zur OKU, die Besetzung von Kirchengebäuden und ähnliches. 

 –    Gibt es in der UOK auch Weizen? Es gibt dort viele Menschen, die, obwohl sie die OKU nicht anerkennen oder Vorurteile gegen sie hegen, für die Ukraine zu Gott beten, im ukrainischen Militär kämpfen, ihm helfen und es unterstützen, sowie die Kriegsopfer unterstützen. Es gibt Geistliche und Gläubige, die trotz riesiger Hindernisse von ihrer Führung und/oder ihrer Herde einen Dialog mit der OKU und dem Ökumenischen Patriarchat führen. 

 –    Und die wichtigste Frage: Was können wir aus christlicher Sicht tun, wenn wir wissen, dass es in jedem Menschen zwischen den beiden Jurisdiktionen Weizen und Unkraut gibt? 

Ja, ich sehe eine große Gefahr in der Art, wie die UOK in der Ukraine funktioniert, insbesondere zu Kriegszeiten. Neben der strukturellen Beziehung zur ROK und der Unklarheit ihrer finanziellen Resourcen verbreitet sie noch immer – manchmal explizit, manchmal implizit – ein Narrativ, das tief in ihr verwurzelt ist: Wir, die Ukraine, könnten spirituell nicht ohne Russland existieren, weil die Ukraine ohne kanonische Verbindung zu Russland sozusagen nicht vollständig „heilig“ sein kann. Die Führung der UOK nimmt ihre Kanonizität noch immer nur durch das Moskauer Patriarchat wahr. Es ist zutiefst verstörend. Aber ich weiß, dass es Menschen in der UOK gibt, die dieses Narrativ nicht teilen und versuchen, es von innen zu bekämpfen. Und ich weiß auch, dass Christus nicht befohlen hat, das Unkraut zu zerstören, weil „du den Weizen mit ihm ausreißen könntest“. Mit anderen Worten: Wenn man unbedachte Schritte macht, können sie das Leben ruinieren. Christsein ist eine Herausforderung und erfordert Urteilsvermögen. 

Wie umgehen mit Gewalt?
Dies bringt mich zur schwierigen Frage der Gewalt. Der Majdan als Revolution der Würde begann als Antwort auf das brutale Zusammenschlagen der Studierenden am 30. November 2013, die wollten, dass die Ukraine der EU beitritt. Menschenmassen gingen daraufhin auf die Straßen, nicht nur weil sie gegen den prorussischen Kurs von Janukovytsch waren, sondern weil sie den Einsatz von Gewalt gegen junge Menschen im Zentrum der Hauptstadt der Ukraine ablehnten. Gewalt gegen Verletzliche wurde als inakzeptabel betrachtet und verlangte gewaltloses ziviles Handeln. So tauchte eine Zeltstadt des Protests auf dem Majdan auf. 

Nach einiger Zeit wurden die Majdan-Proteste jedoch selbst gewalttätig. Nach Versuchen der Regierung, den Majdan durch Spezialeinheiten der Polizei „aufzuräumen“, und den ersten Tötungen von Demonstranten – unter harten, extrem kalten Wetterbedingungen, vor dem Hintergrund riesigen psychischen Drucks und Erschöpfung – brach breitere Gewalt aus. Meine Freunde sammelten Steine und warfen sie gegen die Polizei. Diese Angelegenheit wurde extrem problematisch für diejenigen, die Gewaltlosigkeit unterstützten, und sie wurde mit Leichtigkeit von Russland manipuliert: Obwohl viele Protestierende von der Polizei getötet wurden, geschah der Regimewechsel mithilfe von Gewalt, daher wurde die neue Regierung der Ukraine in Russland als illegale „Kyjiwer Junta“ betrachtet. Diese Sichtweise der russischen (und prorussischen) Seite war sehr heuchlerisch, da die Gewalt zuerst vom Staat ausgegangen war, und die Gewalt des Majdan eine Reaktion darauf war; und doch wurde letztlich von beiden Seiten Gewalt angewendet. 

Die Idee, die OKU zu schaffen, die dann den Autokephalie-Tomos erhielt, war eine gewaltfreie Idee; sie implizierte Dialog zwischen den Jurisdiktionen und mit der Zivilbevölkerung. Die UOK lehnte diese Idee aggressiv ab. Als Folge davon brach schließlich in der ukrainischen Gesellschaft Gewalt gegen die UOK – um Kirchgebäude – aus. Meiner Ansicht nach ist es wieder eine „reaktive“ Gewalt, gegen die aggressive Haltung des Moskauer Patriarchats gegenüber der Ukraine. Aber können wir sie aus der Perspektive des ursprünglichen Impulses des Majdan oder aus der Perspektive des Evangeliums rechtfertigen? Der Anfangsimpuls des Majdan war gegen Gewalt. Und die Perspektive des Evangeliums ist nicht die gleiche wie die der Welt. Gewalt in der Kirche ist inakzeptabel. 

Vision einer Kirche mit den Menschen
Wie während des Majdan im Februar 2014 sieht die Situation im Februar 2024 für die Ukraine schwieriger aus denn je. Wenn wir die Jurisdiktionsfrage zumindest für einen Moment beiseitelassen, welche Kirche braucht dann die Ukraine heute? In seinem Buch „Moral Imagination“[1] fragt John Paul Lederach, wie wir die Gewaltkreisläufe überwinden können, die unsere menschliche Gemeinschaft verhexen, während wir noch in ihnen leben. Die Antwort lautet, durch die Fähigkeit, eine moralische Vorstellungskraft zu entwickeln, zu mobilisieren und aufzubauen. Für die Ukraine stelle ich mir eine Kirche vor, die imstande ist, allen Widrigkeiten zum Trotz Hoffnung zu geben, eine Kirche, die zur spirituellen Mobilisierung der ganzen Gesellschaft fähig ist, deren Mehrheit sich noch immer orthodox nennt, eine Kirche, die dem Militär, das sein Land verteidigt, hilft, im Krieg menschlich zu sein und nach dem Krieg menschlich zu bleiben. Ich stelle mir eine Kirche vor, die inspiriert und sich aktiv in der Rehabilitierung der Veteranen und dem Wiederaufbau des sozialen Gefüges engagiert – und nicht eine Kirche, die nur Rituale vollführt. Ich stelle mir eine Kirche vor, deren Theologie es ihr erlaubt, ein Ort zu sein, wo verletzte Seelen Trost statt Konflikt finden können, wenn auch nicht auf Kosten der Wahrheit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, und ein Ort, wo Menschen in ihren sehr realen aktuellen Situationen in Gott wachsen können – und nicht in einer nostalgischen mittelalterlichen orthodoxen Kulisse. Diese Kirche sollte dynamisch, gebildet, offen und proaktiv sein. Zugleich sollte sie ein Gefühl für das Geheimnis und die Schönheit Gottes und der Welt vermitteln, mit denen das östliche Christentum traditionell assoziiert wird. 

Das ist natürlich eine allgemeine Beschreibung, aber ich denke, es ist wichtig, eine Vision zu haben, anstatt nur die jurisdiktionellen Konflikte und Strategien zu ihrer Lösung zu sehen. Natürlich ist eine solche Vision der Kirche kaum möglich, wenn innerhalb der Orthodoxie in der Ukraine Krieg herrscht. Idealerweise würde eine solche Vision gemeinsam und nicht getrennt entwickelt. Ein Zeichen der Hoffnung ist für mich die kürzlich gebildete Sophien-Bruderschaft, die Geistliche der UOK, die nicht mit ihrer Führung einig sind, und Geistliche und Gläubige der OKU, die noch immer zum Dialog bereit sind, vereint. Sie hat einen Aufruf zur „dringenden spirituellen Mobilisierung“ veröffentlicht.[2] Darin rufen sie zu Gebet, Wahrheit, Hoffnung und Rechtschaffenheit auf. Angesichts der Ermüdung und des Unglaubens, die zurzeit die Ukraine ergriffen haben, wurde dieser Aufruf von Menschen gemeinsam formuliert, die sich trotz aller Widrigkeiten vereint haben, um ihrer Gesellschaft zu dienen. Entgegen allen Widrigkeiten hoffe ich, dass ihre Stimme gehört wird. 

 Anmerkungen
[1])    Lederarch, John Paul: Moral Imagination. The Art and Soul of Building Peace. Oxford 2005.

[2])    https://sofiyske-bratstvo.org/negajna-duhovna-mobilizacziya/?fbclid=IwAR0s4wzgGZ8IKNdCHbPsQ_4PSJvQsYF_bhLljwtpSO4L88GvI_BpB1fpzZ4

Übersetzung aus dem Englischen: Natalija Zenger. 

Lidiya Lozova, Assoziierte Wissenschaftlerin an der University of Exeter

Bild: Nach der Sophienkathedrale in Kyjiw ist die Sophien-Bruderschaft benannt, eine Dialoginitiative von Vertretern beider orthodoxer Kirchen in der Ukraine (Foto: Shutterstock.com).

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