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Eine neue Heizung für das Jugendzentrum "Arche"

Regula Spalinger im Gespräch mit Tajana Vischnjakova

Das Kinder- und Jugendzentrum „Arche“ konnte dank der SpenderInnen von G2W und der Schaffhauser Bettagsaktion im letzten Sommer eine neue Heizanlage einbauen. Als nächster Schritt steht ein behindertengerechter Umbau der „Arche“ an. Dem Kinder- und Jugendzentrum ist es ein besonders Anliegen, Kinder mit Beeinträchtigungen in das Kursprogramm zu integrieren. In der neuen Filiale stoßen besonders die Sportkurse und die Theatergruppe auf Anklang.

Vor eineinhalb Jahren hat die „Arche“ eine kleinere Filiale im Außenquartier „Rebrovka“ eröffnet. Welche Kurse sind im Jugendzentrum und in der Filiale derzeit besonders gefragt?
Tatjana Vischnjakova: Die „Arche“ im Bahnhofsviertel von Kostroma besuchen gegenwärtig fast 400 Kinder. Der Großteil stammt aus bedürftigen Familien, darunter sind auch Kinder mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Nicht selten nehmen die Kinder einen weiten Weg auf sich, um aus anderen Teilen der Stadt oder gar einem der umliegenden Dörfer zu unseren Kursen zu kommen. Einige besuchen samstags oder an einem Wochentag nach der Schule sogar mehrere Kurse. Dadurch sind insgesamt rund 500 Plätze der „Arche“ belegt. Die Freizeitangebote der Filiale „Rebrovka“ am Stadtrand besuchen zurzeit 47 Kinder aus der unmittelbaren Umgebung. Wir dürfen dort das Gebäude und die Infrastruktur einer befreundeten orthodoxen Kirchgemeinde nutzen. Die Arbeit in diesem von armen russischen und sesshaften Roma-Familien bewohnten Quartier zeigt uns, dass wir hier ganz andere Ansätze anwenden müssen. Was im Hauptgebäude auf enorme Nachfrage stößt, wie z. B. Mal- und Gestaltungskurse, Kalligrafie und der Chor gilt vielen Familien hier als „überflüssig“. Dagegen erfreut sich der Theaterclub in „Rebrovka“ großer Beliebtheit, in den wir nun Elemente gemeinsamen Musizierens und kindgerechter Redeschulung aufgenommen haben. Nach anfänglich vier Teilnehmenden ist die Theatergruppe mittlerweile auf 26 Kinder angewachsen. Die Sportkurse, die dreimal wöchentlich stattfinden, besuchen ca. 30 Kinder. Neben allgemeiner Gymnastik für Mädchen und Jungen gibt es Einführungskurse in die russische Ringsportart Sambo und ins Boxen. Da es in der unmittelbaren Umgebung sonst einzig einen Fußballplatz gibt, wo die Kinder in ihrer Freizeit spielen können, sind unsere Kindersportgruppen sehr gefragt.

Im letzten Jahr wurde die alte marode Heizung durch eine neue ersetzt. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Wir sind äußerst glücklich über die neue Heizanlage. Denn neben den enormen Kosten der alten Heizung von 1954 konnten wir auch nicht vernünftig heizen. Nach voraus berechneten Prognosen wurde uns vom städtischen Heizwerk entweder zu wenig oder zu viel Energie zugeführt. So froren die Kinder in kalten Wintern, und wir mussten zusätzliche Heizgeräte aufstellen. In der Übergangszeit waren die Räume dafür oft überheizt. Seit der Erneuerung der Heizanlage können nun mehrere ausgebildete Mitarbeiter jederzeit die richtige Temperatur einstellen. Und die Kosteneinsparungen sind beeindruckend: Die Summe, die wir früher für einen Heizmonat aufwenden mussten, reicht jetzt für vier Monate!
Für mich als Finanzplanerin und Buchhalterin war dies bereits die dritte Umsetzung eines Heizungsprojekts. Das erste Mal war ich beteiligt, als die Kirche im Rebrovka-Viertel ans städtische Gasheizungsnetz angeschlossen wurde. Das zweite Mal, als das auf demselben Grundstück errichtete Kirchgemeindehaus, das seither als Filiale der „Arche“ dient, ans Netz ging. Und nun erneut im Falle der „Arche“, so dass einiges an Erfahrung vorhanden war. Generalunternehmer beim Einbau der Kirchenheizung war eine andere Firma als bei den beiden späteren Projekten. Die Projektierung verlief damals unsorgfältig. Zudem führte die mangelhafte Ausführung der Bauarbeiten zu Problemen; Fristen wurden mehrfach nicht eingehalten. Doch konnten wir wenig unternehmen, da Vater Alexej erst 2011 zum Priester dieser Kirche ernannt wurde, und die Projektverträge vom Vorgänger unterschrieben worden waren. Bei einem Wechsel des Generalunternehmers hätten wir kostspielige Strafzahlungen in Kauf nehmen müssen. Bei der Wahl der leitenden Firma für den Heizungseinbau im Kirchgemeindehaus Rebrovka waren wir dagegen frei. Mit der beauftragten Firma machten wir in Rebrovka sehr gute Erfahrungen. Als es um die anspruchsvolle Heizungserneuerung der „Arche“ ging, kannten wir daher bereits die heiklen Punkte. Zudem konnten wir uns jederzeit auf die unterstützende Projektbegleitung durch das Institut G2W verlassen.

Zu Weihnachten veranstaltet die „Arche“ immer ein großes Christbaumfest für bedürftige Kinder. Wie wurde dieses Jahr gefeiert? 
Da dieses Jahr außerordentlich viele bedürftige Kinder teilnehmen wollten, entschied Metropolit Ferapont (Kaschin) von Kostroma in Absprache mit unserem Organisationsteam, dass es zwei Christbaumfeste geben solle. Wir erschraken zunächst, da wir glaubten, nicht alle vorgesehenen 2 500 Eintrittskarten verteilen zu können. Doch das Gegenteil traf ein: Es gab so viele Anmeldungen von Kindern aus Kostroma und den umliegenden Orten, dass wir beinahe noch 250 Kindern aus der benachbarten Kleinstadt Sudislavl hätten absagen müssen. Doch wir entschieden uns, dort eine dritte szenische Aufführung mit den beteiligten Kinderchören und Tanzensembles zu veranstalten. Eingeladen waren dabei insbesondere Kinder von alleinerziehenden Eltern, aus kinderreichen Familien und aus Heimen. Durch die eigens für Kinder bis acht Jahre geschriebene Geschichte leiteten die älteren Pfadfindermädchen und -jungen der „Arche“ in festlichen und zu den Figuren passenden Kostümen.

Die „Arche“ legt seit mehreren Jahren einen Fokus auf die Inklusion von beeinträchtigten Kindern. Welche Neuerungen gibt es in diesem Bereich?
Unser Team mit heilpädagogischer Zusatzausbildung hat dieses Jahr mit Alexandra Smirnova eine wichtige Verstärkung erhalten. Alexandra hat vor kurzem ihr Magisterstudium in Heilpädagogik abgeschlossen. Sie beherrscht unter anderem die Gebärdensprache und ist mit der Blindenschrift vertraut. Mit ihrer Hilfe führen wir nun zur fachgerechten Einstufung der beeinträchtigten Kinder zunächst verschiedene Tests durch. Unser Ziel ist es, die Kinder mit Beeinträchtigungen so weit wie möglich in Gruppen mit gesunden Kindern zu integrieren. Doch manche Kinder weisen sich überlagernde oder sehr starke Beeinträchtigungen auf, so dass es besser ist, zunächst in Kleingruppen bis vier Kinder therapeutisch zu arbeiten. Neben den Tests führt Alexandra auch wichtige Gespräche mit den Eltern und gibt Empfehlungen zur angemessenen, stufenweisen Eingliederung in die Kurse. Auf dieser Basis werden wir im Verlauf dieses Jahres unser sozialpädagogisches Projekt „Teilhabe“ weiter ausbauen. Das ermöglicht uns, unter Einbezug medizinischer und psychologischer Aspekte die Kinder gemäß ihren individuellen Fähigkeiten besser zu fördern und sie auf ein möglichst selbständiges späteres Leben vorzubereiten.

Wie sind die Pfadfinder der „Arche“ in die Beschäftigung mit diesen Kindern involviert?
Alle wichtigen Anlässe, die mit beeinträchtigten Kindern bei uns stattfinden, sind ohne die Unterstützung der Pfadfinder überhaupt nicht denkbar. Die älteren helfen beispielsweise gehbehinderte oder gelähmte Kinder in die obere Etage zu tragen, damit sie dort an einer Veranstaltung teilnehmen können. Zudem wirken sie als hilfsbereite Auskunftspersonen, so zeigen sie den erstmaligen jungen Besuchern, wohin es zur Toilette oder zum Speisesaal geht. Oder sie servieren den Tee für die Kinder. Insbesondere die älteren Pfadfindermädchen und -jungen ab 14 oder 15 Jahren übernehmen solche Aufgaben gerne, denn sie haben sich durch ihr vielfältiges soziales Engagements Geduld und Empathie erworben.

Für die Kinder mit Beeinträchtigungen soll möglichst bald die Zugänglichkeit zum Hauptgebäude verbessert werden. Was sind die wichtigsten Baumaßnahmen?
Sobald es im Frühjahr wärmer wird und der Boden vor dem „Arche“-Gebäude abtrocknen konnte, planen wir als erstes eine Rollstuhlrampe bei der Außentreppe zu verlegen. Außerdem wollen wir Handläufe für Seh- und Gehbehinderte anbringen und die Türöffnungen verbreitern. Der nächste wichtige Umbauschritt betrifft die Toiletten. Auch hier müssen Türrahmen für Rollstuhlfahrer verbreitert werden, außerdem braucht es eine behindertengerechte Inneneinrichtung wie Handgriffe etc. Leider können wir wegen des engen Treppenaufgangs keinen Treppenlift und keine Rampe im Inneren des Gebäudes einbauen. Deshalb werden wir für körperlich beeinträchtigte Kinder ein Zimmer im Erdgeschoss für deren Bedürfnisse umbauen. Hier haben wir die Möglichkeit einen Raum für Kleingruppenkurse abzutrennen. Außerdem möchten wir geeignete Beschriftungen und Hinweistafeln für blinde Kinder anbringen. Mit den geplanten Maßnahmen werden wir durch eine gute Zugänglichkeit die Offenheit unseres Hauses gegenüber beeinträchtigten Kindern auch praktisch zeigen.

Sie können die Arbeit des Kinder- und Jugendzentrums "Arche" in Kostroma mit einer Spende auf das Konto von Forum RGOW (IBAN CH22 0900 0000 8001 5178 0) mit dem Vermerk „Arche" unterstützen.

pdfRGOW 2-3/2020, S. 28-29

Bild: Arche