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Das Kinder- und Jugendzentrum „Arche“ vor großen Aufgaben

Regula Spalinger im Gespräch mit Tatjana Vischnjakova

Das Kinder- und Jugendzentrum „Arche“ in Kostroma bietet vor allem Kindern aus bedürftigen Familien ein vielfältiges Freizeitprogramm an. Zudem engagiert es sich bei der Inklusion von behinderten Kindern und hat einen Familienclub für werdende Eltern ins Leben gerufen. Über das Kursprogramm und die dringende Renovation der Heizanlage der „Arche“ hat Regula Spalinger mit Tatjana Vischnjakova, der stv. Leiterin des Jugendzentrums, gesprochen.

Wie hat für die „Arche“ das neue Jahr begonnen?
Tatjana Vischnjakova: Am 8. Januar fand unser traditionelles Weihnachtsfest für bedürftige und behinderte Kinder bis 9 Jahre im städtischen Konzertsaal statt. An dem „Jolka“-Fest (nach dem russ. Wort für Tannenbaum) präsentierten unsere Kindergruppen verschiedene einstudierte Vorführungen. Aufgrund der vielen Interessenten gab es am Vortag, dem 7. Januar, dem russisch-orthodoxen Weihnachtstag, eine zusätzliche kleinere Aufführung in der „Arche“ für Kinder, die unsere Kurse besuchen. Ein weiterer Höhepunkt in der Weihnachtszeit war eine Aufführung in einem Internat für psychisch beeinträchtigte erwachsene Menschen. Seit drei Jahren veranstalten wir gemeinsame Aufführungen. Zunächst präsentierten Bewohner des Internats ihre Gesänge und Tänze, danach traten die Kindergruppen aus der „Arche“ auf, alle in selbstgeschneiderten Kostümen.
Leider mussten wir den geplanten Weihnachtsball für die älteren Kinder und Jugendlichen verschieben. Zu diesem Fest kommen auch immer Jugendliche aus Moskau und Tscherepovez. Doch unser Gebiet wurde von einer schweren Virusinfektion erreicht, in jenen Regionen ist die Grippewelle hingegen bereits abgeflaut. Daher hat uns die lokale Gesundheitsbehörde geraten, den Anlass später im Verlauf des Jahres durchzuführen.

Zu den Freizeitkursen der „Arche“ kommen vor allem Kinder aus bedürftigen Familien. Wirkt sich deren Teilnahme am Kursprogramm auch auf die Schule aus?
Ja, in dieser Hinsicht erhalten wir viele positive Rückmeldungen, insbesondere mit Blick auf unsere Kindergruppe im Vorschulalter. In dieser Gruppe, die seit Herbst 2017 30 neue Kinder ab fünf Jahren umfasst, werden die Kinder altersgerecht und im Spiel an den Stoff der ersten Klasse herangeführt. Den Kindern macht das spielerische Lernen riesigen Spaß. In der Gruppe wird die ganzheitliche Entwicklung der Kinder gefördert. Die Kinder verbessern mit Freude ihre Konzentration, Vorstellungsvermögen und räumliche Orientierung. Die Eltern sind der Kursleiterin für ihren Einsatz sehr dankbar. Die Kinder, die in den vergangenen Jahren unsere Kindergruppe im Vorschulalter besucht haben, haben später die Eintrittsprüfungen der angesehensten Mittelschulen und Gymnasien unserer Stadt bestanden. Diese Schulen bieten vertieften Fremdsprach-, Mathematik- und Musikunterricht an, so dass die Jugendlichen für das Berufsleben gut gerüstet sind.

Gibt es Neuerungen beim Kursprogramm?
Ein Ziel ist es, die Integration von behinderten Kindern in unsere Kurse fortzusetzen und zu intensivieren. Dazu finden auch Vorträge für die interessierten Eltern statt. Die Pädagogin Olga Strelbizkaja und ich haben bereits eine Zusatzausbildung in Behindertenpädagogik absolviert. Eine unserer jungen Lehrkräfte, die einen Kinderkurs für Fremdsprachen (mit Liedern, Gedichten, Spielen in der jeweiligen Sprache) initiiert hat, besucht zurzeit ebenfalls einen Kurs in Sonderpädagogik. Außerdem arbeitet bei uns eine junge Spezialistin, die während ihrer Ausbildung zur Behindertenpädagogin die Gebärdensprache und die Braille-Schrift erlernt hat. Ende 2017 erhielten wir glücklicherweise den Bescheid, dass wir vom Präsidentenfonds, dem wir ein umfangreiches Gesuch einreichen mussten, 350 000 Rubel (umgerechnet 5 000 Euro) für unsere sozialen Programme zugesprochen erhalten.
Neben den bestehenden Mal- und Modellierkursen, dem Kinderchor, unseren Pfadfindergruppen und der Sonntagsschule werden wir demnächst einen Filzkurs eröffnen. Eine weitere Neuerung ist unser „Familienclub“ für werdende und junge Eltern mit Veranstaltungen ab Februar/März 2018. Unsere jungen Spezialistinnen werden u. a. Vorträge zum Thema Förderung von Kindern mit eingeschränkten Möglichkeiten durchführen. Diese Vorträge sind auch von allgemeinem Interesse, denn in unserer Gesellschaft sind Kenntnisse im Umgang mit Behinderten wenig verbreitet. Viele hegen Berührungsängste gegenüber Kindern oder Erwachsenen mit Behinderungen und sind deshalb froh um hilfreiche Hinweise in diesem Zusammenhang.

Welche Veranstaltungen planen Sie für 2018?
Dieses Jahr werden wir in der Woche vor Ostern zum ersten Mal einen wohltätigen Jahrmarkt organisieren. Kinder und deren Eltern werden Karten, gestrickte oder geflochtene Gegenstände und geschmückte Ostereier basteln sowie Kuchen backen. Der Erlös soll dem Obdachlosenheim „Notschleschka“ in Kostroma zugutekommen. Als wir verschiedenen Einrichtungen und Kirchgemeinden von unserer Idee erzählten, erhielten wir außerordentlich viele Anfragen zur Teilnahme. So hat auch das psychoneurologische Internat, das wir zu Weihnachten besuchten, seine Teilnahme zugesagt. Aufgrund der großen Nachfrage können wir den Jahrmarkt nicht wie ursprünglich geplant auf dem Vorhof unserer Kirche durchführen, sondern sind nun im Gespräch mit der städtischen Administration, um die Erlaubnis zur Organisation auf dem zentralen Hauptplatz von Kostroma einzuholen. Die Eparchie hat uns ihre Unterstützung zugesagt, nun warten wir auf grünes Licht von der Stadt. Durchführen werden wir den Jahrmarkt auf jeden Fall, zur Not in einer etwas eingeschränkteren Platzvariante vor unserer Kirche. Die Bewohner des Obdachlosenheims „Notschleschka“ sind in die Vorbereitungen und den Marktaufbau einbezogen. Das eigene Selbstwertgefühl leidet immer, wenn man um Almosen bitten muss. Deshalb möchten wir, dass die Beteiligten aus „Notschleschka“ den Erlös als Lohn für ihr eigenes Anpacken erleben können.

Im Außenquartier „Rebrovka“ der Stadt Kostroma soll 2018 eine Filiale der „Arche“ eröffnet werden. Was war der Beweggrund zu diesem Schritt?
„Rebrovka“ ist ein mehrheitlich ärmlicher Stadtteil, in dem Russen und Roma leben. Das Viertel mit seinen in den 1950er und 1960er Jahren gebauten Häusern, manche aus Holz, besitzt bisher überhaupt keine Freizeitangebote für Kinder. Als wir von Mitgliedern der dortigen Kirchgemeinde zwecks Gründung eines lokalen Freizeitzentrums angefragt wurden, haben wir unsere Unterstützung zugesagt. Es ist ein Glück, dass in „Rebrovka“ die Gemeindeglieder sehr aktiv sind. Sie haben die Baubewilligungen eingeholt, Spendenaufrufe organisiert und bei einfachen Arbeiten selbst mit Hand angelegt. Das zweistöckige Gebäude steht nun vollständig, Kanalisation und elektrische Leitungen wurden ans städtische System angeschlossen. Die Laminatböden sind verlegt und eine Heizung ist ebenfalls installiert. Zurzeit erfolgen die letzten Arbeiten am Innenausbau. Im Bauprojekt ist unter anderem ein Sportsaal vorgesehen, da es im Quartier keine Möglichkeit zur sportlichen Betätigung gibt. Wir hoffen, ab September 2018 mit dem Kursprogramm in „Rebrovka“ beginnen zu können.

Wie ist der aktuelle Stand bei den Umbauten am Hauptgebäude?
Traurig. Wir haben während der Sommermonate die dringendsten Renovationsarbeiten durchgeführt, bzw. von Facharbeitern durchführen lassen. Dazu gehörte die Entfernung von zwei einsturzgefährdeten Balkonen an der Rückseite des Gebäudes. Im Keller ließen wir die Isolation der Leitungen erneuern, auf die Auswechslung der maroden Leitungen und Kanalisation mussten wir jedoch aufgrund der Kosten verzichten. Dazu wurden die Aufgangstreppen und das undichte Dach ausgebessert. Die Innenräume haben wir neu gestrichen und neue Vorhänge genäht. Unser Leiter, Erzpriester Gennadij Strelbizkij, ist im Gespräch mit der Stadt für eine zumindest Teilunterstützung bei der Auswechslung der vollkommen veralteten Heizung aus dem Jahr 1954, die extrem hohe Kosten verursacht. Im Moment sind es ca. 900 Euro pro Monat. Die richtige Lösung wäre eine energieeffiziente neue Gasheizung, welche die Heizausgaben pro Jahr von heute 4 500 auf unter 1 000 Euro senken würde. Die Kosten für den Einbau des benötigten Heizsystems liegen bei umgerechnet 35 000 Euro. Gerne hätten wir unser Umbauprojekt bei einer russischen Stiftung eingereicht. Doch haben wir keine einzige gefunden, die Renovationsarbeiten unterstützt. Für die Entwicklung von Kursprogrammen mit Kindern gibt es Fördereinrichtungen, jedoch nicht für notwendige Umbauarbeiten. Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ist der Umbau leider nicht zu bewerkstelligen, so dass wir dafür momentan noch keinen Ausweg sehen.

pdfRGOW 2/2018, S. 28-29

Bild: Arche