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Wissenschaftliches Symposium zum 50-jährigen Dialog von EKD und ROK in Halle

25. Januar 2010
Anlässlich des Jubiläums zu 50 Jahren bilateralen theologischen Dialogs zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) fand an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 1. Dezember 2009 ein deutschrussisches Symposium zum Thema «Orthodoxie und Reformation: Mehr als ein fünfzigjähriger Dialog ...» statt.

Organisiert wurde die Festveranstaltung vom Ostkirchenseminar in Halle (Lehrstuhl Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Goltz). Vor dem Hintergrund der derzeitigen Irritationen zwischen EKD und ROK, die zu einer Absage der geplanten offiziellen Feierlichkeiten (am 30. November in Berlin und am 8. Dezember in Moskau) geführt hatten, gewann die Hallesche Tagung erst recht an Bedeutung, da sie das einzig verbliebene Begegnungsforum darstellte. An dem Symposium nahmen neben offiziellen Vertretern beider Kirchen auch langjährige Dialogteilnehmer, Konfessionskundler und Kirchenhistoriker teil.

Nach den Grußworten, u. a. vom russischen Erzbischof Feofan (Galinskij) von Berlin und ganz Deutschland, begann die Tagung mit dem Vortrag der Vertreterin des Kirchlichen Außenamtes der ROK, Jelena Speranskaja, zum Thema «Der Dialog der ROK mit der EKD». Anschließend referierte Dr. Aleksandr Mramornov, ebenfalls Mitarbeiter des Kirchlichen Außenamtes, über die Geschichte der ROK im 20. Jahrhundert. - Von evangelischer Seite sprachen Prof. em. Dr. Günther Schulz (vormals Ostkirchliches Institut, Münster) über die selbst in Russland kaum bekannte Entwicklung des Kircheneinheitsbegriffs und der Kircheneinheitspolitik der ROK. Regionalbischof Siegfried Kasparick aus Wittenberg stellte bei seiner Bilanz der 50-jährigen Dialoggeschichte mit Bedauern fest, dass der Dialog wieder einer neuen Begründung bedürfe. Prof. Dr. Heinz Ohme berichtete über die vielseitige und mittlerweile langjährige Partnerschaft zwischen der St. Tichon-Universität zu Moskau und der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Mitarbeiterin, Jennifer Wasmuth, thematisierte das immense Interesse russischer Theologen am deutschen Protestantismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Prof. Dr. Hacik Gazer, Universität Erlangen, stellte die russische orthodoxe Synodalbibliothek in Erlangen vor und sprach über deren wissenschaftliches Potential für die Zukunft des theologischen Dialogs.

Angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Kirchen kam dem Vortrag von Jelena Speranskaja ein besonderes Gewicht zu: Bereits zu Beginn stellte sie unmissverständlich klar, dass aus Sicht der ROK der einzige Beweggrund für die Aufnahme des Dialogs das Bestreben gewesen war, die anderen Christen zurück zur Orthodoxie zu führen. Dazu im Widerspruch stand allerdings ihr Schlusswort von der Notwendigkeit des Dialogs, da die Christen die immer zahlreicheren gegenwärtigen Herausforderungen nur gemeinsam lösen könnten. Das Schicksal des Dialogs rufe jedoch gewisse Sorgen hervor, denn manchmal entstehe der Eindruck, die Dialogpartner würden von zwei ganz verschiedenen Varianten des Christentums sprechen, die miteinander nichts zu tun hätten. Der Sinn des Dialogs bestehe jedoch nicht nur in einer «theoretischen» theologischen, sondern auch in einer «praktischen» ethischen Übereinstimmung, so Speranskaja. Die Fortsetzung des Dialogs sei somit unmittelbar von der gegenseitigen Unterstützung in den Fragen abhängig, die über den Rahmen der Dogmatik hinausgehen. Die Frauenordination wurde während der Tagung gegen alle Erwartung von Seiten der russischen Teilnehmer nicht problematisiert - es scheint, als wolle die ROK dadurch bewusst eine Türspalte - wenigstens zu diesem «akademischen Raum» - offen halten.

Evangelischerseits wurde hervorgehoben, dass man die momentane kirchendiplomatische Verwirrung auch einfach als «Auseinandersetzungen einzelner, die mit dem ROK-EKD-Dialog kaum etwas zu tun hatten » (Kasparick), betrachten könnte. Die meisten Konferenzbeiträge machten jedenfalls deutlich, dass der Dialog durchaus Überlebenschancen hat - etwa auf «akademischen Territorium», dessen «Neutralität» einerseits die Begegnung von offiziellen Kirchenvertretern gewissermaßen zu entspannen und andererseits zur Fortsetzung der gegenseitigen Forschung zu motivieren vermag.

Anna Briskina-Müller, Halle

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