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Vatikan: Nahost-Synode ruft zu verstärkter Zusammenarbeit unter Christen auf

23. November 2010
Mit einem eindringlichen Appell von Papst Benedikt XVI. für Frieden, Dialog und mehr Religionsfreiheit hat am 24. Oktober die Nahost-Synode im Vatikan geendet, die unter dem Motto «Die katholische Kirche im Nahen Osten: Gemeinschaft und Zeugnis. ‹Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele› (Apg 4,32)» stand.

Im Mittelpunkt der zweiwöchigen Synode standen vor allem vier zentrale Themen und Problemfelder: der Massenexodus der Christen aus dem Nahen Osten, eine bessere Zusammenarbeit unter den Kirchen, der Dialog mit dem Islam und dem Judentum sowie Religionsfreiheit und Demokratie in den Ländern der Region. In ihrem 44 Punkte umfassenden Abschlussbericht sprachen sich die Synodalen für eine Stärkung der Kirchen und Christen in der Region aus. Eine besondere Herausforderung stelle dabei die Abwanderung von Christen aus der Region dar – sowohl für die alten Heimatländer als auch für die neuen Gastländer, in denen eine bessere Betreuung der orientalischen Christen vonnöten sei.

Zur Synode versammelten sich neben dem Papst und Vertretern der Weltkirche nahezu alle 130 Bischöfe der sechs mit Rom unierten katholischen Ostkirchen in der Region (die Chaldäische, die Maronitische, die Syrisch-katholische, die Koptisch-katholische, die Armenisch-katholische und die Melkitische Griechisch-katholische Kirche) sowie der dortigen lateinischen Diözesen. Zudem nahmen auch Beobachter der nicht-katholischen Kirchen im Nahen Osten sowie einige Vertreter von Islam und Judentum an den Beratungen teil.

In seiner Predigt zur Eröffnung der Synode machte Papst Benedikt XVI. deutlich, dass die Synode in erster Linie pastorale und kirchliche Anliegen verfolge. Aber natürlich könne man die «delikate und mitunter dramatische soziale und politische Situation in einigen Ländern der Region» nicht ignorieren.

Im Mittelpunkt vieler Redebeiträge der Synodalen standen die schwierige Situation der Christen und die daraus resultierende Massenauswanderung ins westliche Ausland. Der aus Kairo stammende und in Rom und Beirut lebende Jesuit und Islamwissenschaftler P. Samir Khalil Samir, der maßgeblich an der Erstellung des Arbeitspapiers zur Synode mitgewirkt hat, das Papst Bendikt XVI. bereits auf seiner Reise nach Zypern Anfang Juni vorgestellt hatte (s. G2W 7-8/2009, S. 9f.), erklärte im Vorfeld der Synode, dass der Exodus der Christen aus dem Nahen Osten gestoppt werden müsse, andernfalls werde dort das Christentum in 50 Jahren fast gänzlich verschwunden sein. Die Gründe hierfür seien vielfältig. So gebe es – mit bedingter Ausnahme im Libanon – keine wirklich demokratischen politischen Systeme und kaum Religionsfreiheit. Zudem sei Mitte der 1970er Jahre eine deutliche Radikalisierung des Islam zu beobachten. Christen seien daher vielfältigen Diskriminierungen und auch Verfolgungen ausgesetzt. Laut Samir habe vor allem die Jugend kaum Perspektiven in ihren Heimatländern und sei deshalb zur Auswanderung gezwungen.

In den Debatten an der Synode wurde aber auch deutlich, dass sich die Situation in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich darstellt – von einer vollen Anerkennung der Christen bis hin zu Verfolgungen. So berichtete etwa der melkitische Erzbischof von Petra, Yasser Ayyash, von einer vergleichsweise günstigen Situation für die christliche Minderheit in Jordanien. Diese könne im Land Kirchen, Schulen und andere Einrichtungen bauen sowie ohne Schwierigkeiten in ihren Gotteshäusern die Liturgie feiern.

Viel dramatischer ist dagegen die Lage der Christen im Irak: Der syrisch-katholische Erzbischof von Babylon, Athanase Matti Shaba Matoka, berichtete von einer gravierenden Verschlechterung seit dem Einmarsch der Amerikaner im Jahr 2003. Seither seien die Christen Opfer einer «mörderischen Situation». Schätzungsweise die Hälfte aller Christen – rund 400 000 – hat laut Erzbischof Matoka mittlerweile den Irak verlassen. Zwar habe sich die Lage in den vergangenen zwei Jahren leicht verbessert, jedoch blieben Angst, Unsicherheit und Instabilität weiterhin bestehen. Zugleich kritisierte der Erzbischof die mangelnde internationale Unterstützung für die Christen im Irak. Die Weltöffentlichkeit verharre in der Rolle eines Zuschauers, so Erzbischof Matoka.

An der Synode stand auch das Thema einer vertieften Zusammenarbeit auf der Arbeitsagenda. Bereits im Vorfeld der Synode hatte Erzbischof Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, eine verstärkte Zusammenarbeit der Kirchen in der Region angemahnt: Nur so könne das Zeugnis des Evangeliums in der heutigen Welt glaubwürdig sein. Dass es vielerorts noch an einer solchen Zusammenarbeit mangelt, konstatierte auch der Salzburger Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler: Er sehe es mit Sorge, wenn etwa das von der Chaldäischen Kirche betriebene Babel College im irakischen Arbil als herausragende theologisch-philosophische Ausbildungsstätte plötzlich nurmehr chaldäischen Christen zur Verfügung stehe und nicht mehr – wie es der ursprüngliche Gründungsimpuls vorsah – Katholiken aller Traditionen. Dies sei ein «Negativbeispiel», das «sicherlich der Grundidee der Synode entgegensteht».

Beim Thema Zusammenarbeit wies der Apostolische Vikar von Arabien, Bischof Paul Hinder, zudem darauf hin, dass eine an der Synode gar nicht vertretene Gruppe die vielen «Gastarbeiter » aus Fernost (Philippiner, Koreaner, etc.) seien. Allein im Apostolischen Vikariat von Arabien, das die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Oman, Saudi Arabien und den Jemen umfasst, lebten rund 2,5 Millionen Katholiken. Das Gruppendenken der orientalischen Kirchen und die mangelnde Offenheit behinderten laut Bischof Hinder allzu oft ein gemeinsames geschlossenes Auftreten.

Als Gastredner sprachen an der Synode Rabbiner David Rosen sowie der libanesische Sunnit Mohammed Sammak und der iranische Schiit Ajatollah Seyed Mustafa Mohagheh. Rabbiner Rosen hob in seiner Rede hervor, dass die Situation der christlichen Minderheit im jüdischen wie im islamischen Kontext eine wichtige Rolle für die Gesellschaften insgesamt spiele: sie sei «eine Art Barometer für die moralische Situation unserer Länder». Die beiden muslimischen Gastredner betonten vor allem, dass man weder den Islam noch das Christentum für illegitime Aktionen einzelner Gruppen verantwortlich machen dürfe.

KNA, 11., 18., 25. Oktober; Kathpress, 10., 17., 18., 26. Oktober 2010 – S.K.

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