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Türkei: Erstmals wieder ein Gottesdienst im Sumela-Kloster

16. September 2010

Nach 88 Jahren hat am 15. August zu Maria Himmelfahrt erstmals wieder ein Gottesdienst im berühmten Sumela- Kloster bei Trapzon/Trapezunt am Schwarzen Meer stattgefunden.

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., feierte mit mehreren tausend Gläubigen, die nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus Griechenland, Georgien und Russland angereist waren, die Liturgie. Das türkische Kultusministerium hatte der griechisch-orthodoxen Minderheit im Mai erlaubt, künftig jedes Jahr den Festtag Maria Himmelfahrt im Kloster zu feiern.

Das Sumela-Kloster liegt wie ein Adlernest in 1100 Metern Höhe an einem Steilhang des Zigana-Gebirges (früher Pontus-Gebirge). Bis zur erzwungenen Aussiedlung der Pontus-Griechen im Zuge des sog. griechisch-türkischen «Bevölkerungsaustausch» 1922/23 war das Kloster eines der bedeutendsten orthodoxen Heiligtümer. In folgenden Jahrzehnten stand das Kloster leer und zerfiel; später wurde es zu einem Museum erklärt und mehr schlecht als recht restauriert (s. G2W 2/2008, S. 11).

Die Möglichkeit, einmal im Jahr die Liturgie im Kloster feiern zu dürfen, stellt ein Zugeständnis der türkischen Regierung an die griechisch-orthodoxe Minderheit dar, auf das diese lange hat warten müssen. Patriarch Bartholomaios dankte daher ausdrücklich der türkischen Regierung. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou sagte im griechischen Fernsehen, das den Gottesdienst live übertrug: «Es ist ein historisches Ereignis. Ich hoffe, dass dieser Geist der Kooperation zwischen Griechen und Türken weiter gefestigt wird.»

Proteste kamen dagegen aus türkischen nationalistischen Kreisen, die aus dem Datum des Gottesdienstes Verschwörungstheorien strickten: Am 15. August 1461 hatten die Osmanen das byzantinische Kaiserreich Trapezunt erobert. Dass nun die türkische Regierung ausgerechnet an diesem Tag einen Gottesdienst erlaube, bedeute, dass die Regierung und die orthodoxen Christen an einer Wiedergeburt von Byzanz arbeiteten.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wies die Kritik nationalistischer Kreise zurück: Die Türkei habe nichts zu verlieren, wenn 1000 oder 2000 Christen kämen und im Kloster Sumela ihren Gottesdienst feierten. Erdog˘an erklärte gegenüber der Presse, sein Land könne von mehr Religionsfreiheit profitieren. Die Türkei fordere ja ihrerseits die Genehmigung zum Bau einer Moschee in Athen. Eine verbesserte Lage der Christen im eigenen Land könne diesen Prozess womöglich beschleunigen.

www.taz.de, 15. August; Kathpress, 15. August; KNA, 23. August 2010 – S.K.

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