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Tschechien: Umstrittene Wahl des neuen Kirchenoberhaupts

12. Februar 2014

Erzbischof Rastislav (Gont) von Prešov ist auf einem außerordentlichen Landeskonzil der Orthodoxen Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei am 11. Januar zum neuen Oberhaupt der Kirche gewählt worden.

Auf Gont entfielen 43 von 49 Stimmen. Erzbischof Gont löst Metropolit Kryštof (Pulec) von Prag ab, der im April 2013 von der Kirchenleitung zurückgetreten war, nachdem ihm uneheliche Kinder und die Zweckentfremdung von Kirchengeldern nachgesagt worden waren (s. RGOW 5/2013, S. 9–10). Zum neuen Erzbischof von Prag wählte die Versammlung Bischof Jáchym (Hrdý) von Hodonín.

Erzbischof Rastislav, mit bürgerlichem Namen Andrej Gont, wurde 1978 in Snina in der Ostslowakei geboren. Er studierte zuerst an der Orthodoxen theologische Fakultät der Universität Prešov und anschließend an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki. 2012 wurde er zum Bischof von Prešov geweiht.

Die innerkirchliche Krise ist jedoch mit der Wahl des neuen Oberhaupts nicht beendet, vielmehr spitzt sie sich weiter zu. Denn der 87-jährige Erzbischof von Olomouc und Brno, Simeon (Jakovljević), will die Entscheidung nicht anerkennen. Er war zunächst zum Kirchenverweser (Locum tenens) berufen worden, aber im Dezember 2013 auf Beschluss des Hl. Synods durch Erzbischof Rastislav ersetzt worden (s. RGOW 1/2014, S. 7–8). Erzbischof Simeon beharrt darauf, nur er hätte zur Versammlung zur Wahl eines neuen Oberhaupts einladen dürfen. In einem Protestbrief an das Ehrenoberhaupt der Gesamtorthodoxie, Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel, vom 12. Januar schrieb er: „Voller Trauer informiere ich Sie, dass das Schisma in der Orthodoxen Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei Wirklichkeit geworden ist. Ich versuche den Mut zu finden, mit Ihrer Unterstützung weiter zu kämpfen, da ich nun der einzige kanonische Bischof der Orthodoxen Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei bin. […] Erzbischof Rastislav wurde rechtswidrig zum Metropoliten und mein ehemaliger Vikar, der ohne mein Wissen, meine Zustimmung und meinen Segen von seinem Amt zurückgetreten war, von einem Pseudo-Konzil, das ich nicht einberufen habe, zum Erzbischof von Prag ernannt. Diese Wahlen sind, das ist Ihnen und mir klar, unkanonisch. Ich will kein Schisma und bitte Sie, den Allheiligsten Erzbischof von Konstantinopel […], uns zu helfen, eine Lösung zu finden.“

Mit Erfolg konnte Erzbischof Simeon verhindern, dass Erzbischof Rastislav Zugriff auf die Internetseite der Orthodoxen Kirche in Tschechien (www.pravoslavnacirkev.info) hat; dort findet man stattdessen seinen Schriftwechsel mit Patriarch Bartholomaios sowie zahlreiche kritische Texte über Erzbischof Rastislav. Letzterer verfügt jedoch über die Internetseite der Orthodoxen Kirche in der Slowakei (www.orthodox.sk). Zudem verweisen seine Unterstützer, dass an der Wahlversammlung 49 der 65 Delegierten teilgenommen hätten und sie somit beschlussfähig gewesen sei. Ein Termin für die Inthronisation Rastislavs steht noch aus.

Offen ist auch, wie sich das Patriarchat von Konstantinopel zu der Wahl Rastislavs verhält. Denn bereits in einem Brief vom 31. Dezember 2013 hatte das Patriarchat die Umstände der Absetzung von Erzbischof Simeon als Locum tenens kritisiert: „Die Mutter-Kirche war enttäuscht von der unerwarteten und unrichtigen Entwicklung der Situation, hat aber trotzdem weiterhin bewusst und wohlwollend ihr Interesse gezeigt […]. Auf Unseren Vorschlag und Unsere Entscheidung hin wurden die beiden hochwürdigsten Metropoliten Emmanuel von Frankreich und Arsenios von Österreich als Bobachter und Berater [an die Sitzung vom 9. 12.] entsandt, … wo sie zu ihrem Erstaunen feststellten mussten, dass dort zwei Vertreter der Allheiligen Russischen Kirche anwesend waren, die dazu nicht eingeladen worden waren. Uns interessiert: Auf welcher kanonischen Grundlage ist dies geschehen? Warum hat man nicht auch Vertreter der anderen Orthodoxen Kirchen zum Kommen aufgefordert?“ Die Absetzung von Erzbischof Simeon sei „nicht auf kanonischem Weg erfolgt, sondern ist vielmehr intransparent und mit inakzeptablen Mitteln“ geschehen. Die Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei stecke „in einer Krise, weil die betreffenden kanonischen Kriterien nicht erfüllt werden, vor allem nicht eines der fundamentalsten, dass nämlich eine autokephale Kirche in der Lage sein muss, ihre eigene Hierarchie zu führen.“ Werde diese Situation nicht rasch „partnerschaftlich, in Zusammenarbeit und Einheit gelöst“, dann sähe sich das Ökumenische Patriarchat „aufgrund seines Vorrangs und seiner Pflicht […] gezwungen, die Situation auf andere Art zu lösen.“

www.pravoslavnacirkev.info, 12. Januar; www.portal-credo.ru, 10.–14. Januar; KNA-ÖKI 13. Januar 2014 – O. S.

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