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Russland: Ultrakonservative Orthodoxe kritisieren die russische Volkszählung

23. November 2010
Ultrakonservative orthodoxe Kreise haben die jüngste Volkszählung in Russland und deren Methoden scharf kritisiert. Erzpriester Michail Kondratjev, Vorsteher an der Moskauer Kirche der Gottesmutter von Kasan, erklärte gegenüber dem Nachrichtendienst Portal-Credo.ru, die Volkszählung erfolge «auf Weisung der UNO», nicht etwa der russischen Regierung.

In Russland sei eine «elektronische Regierung» im Aufbau begriffen, die sämtliche persönliche Daten der Bürger erfasse, «um sie mit einem individuellen, international gültigen Code auszustatten », was letztlich zu einem «Staat des Antichrist, der totalitären elektronischen Kontrolle» führe. Andere Ultraorthodoxe bemängelten, dass bei der Volkszählung weder nach der Religionszugehörigkeit noch nach der Nationalität gefragt worden sei. Mehrere Klöster weigerten sich gänzlich, an der Volkszählung teilzunehmen, so etwa mehrere Nonnen und Mitarbeiter des Klosters des Hl. Seraphim in Diveevo, mehrere Klöster in Karelien, ein Teil der Mönche des Valaam-Klosters sowie das Bogoljubskij-Kloster in Vladimir. Daraufhin übergab allerdings die Eparchialleitung in Novgorod den Behörden kurzerhand sämtliche Angaben zu den Mönchen und Nonnen in der Eparchie, die sich geweigert hatten, an der Volkszählung teilzunehmen.

Irrationale apokalyptische Ängste vor staatlicher Kontrolle sind in ultrakonservativen orthodoxen Kreisen weit verbreitet. Bei einem Teil der orthodoxen Bevölkerung, vor allem bei älteren Menschen, war das Misstrauen allerdings auch deshalb so groß, weil bei vielen die Erinnerung an das atheistische Sowjetregime immer noch lebendig ist und befürchtet wurde, dass die gemachten Angaben zu Repressionen missbraucht werden könnten.

Dagegen erklärte Erzpriester Vsevolod Tschaplin, der Vorsitzende der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft, im Namen der Russischen Orthodoxen Kirche, dass der Hl. Synod «Verständnis für die Sorge der Regierung um die Durchführung der Volkszählung» habe und sie keinesfalls «für sündig» halte. Im Gegenteil: Eine der ersten Volkszählungen der Menschheit sei auf Weisung Gottes erfolgt. Auch die Gottesmutter Maria und der hl. Josef hätten sich dem Gesetz unterworfen und sich in Bethlehem an der Volkszählung des Römischen Reiches beteiligt.

Das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, äußerte gegenüber Journalisten seine Sorge über die «apokalyptischen Befürchtungen » der ultrakonservativen Orthodoxen, die er sehr ernst nehme. Er könne zwar durchaus nachvollziehen, wenn Menschen sich aus der Welt in die Stille zurückziehen wollten; doch die Kirche werde alles tun, damit die Gläubigen ohne Gewissensprobleme an der Volkszählung teilnehmen könnten.

Bei der Volkszählung vom 14. bis 25. Oktober wurden die Einwohner Russlands zu Alter, Zivilstand, Staatsangehörigkeit, Nationalität (fakultativ), Bildung, Fremdsprachenkenntnissen, Anzahl der Kinder, Wohnsituation, Beruf und Einkommen befragt. Nicht gefragt wurde nach Name und Adresse oder Religionszugehörigkeit. Die gemachten Angaben gelten als streng vertraulich und werden nach der Auswertung vernichtet.

www.portal-credo.ru, 4.–21. Oktober 2010 – O.S.

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