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Russland: Russische Orthodoxe Kirche soll im Gebiet Kaliningrad ehemalige Kirchgebäude erhalten

23. November 2010
Das Parlament des Gebiets Kaliningrad hat am 28. Oktober beschlossen, der Eparchie Kaliningrad der Russischen Orthodoxen Kirche weitere 15 in staatlichem Besitz befindliche «religiöse Objekte » unentgeltlich als Eigentum zu überlassen.

Damit wurden der Russischen Orthodoxen Kirche seit Jahresbeginn insgesamt 26 nicht-orthodoxe Gotteshäuser zugesprochen. Bei den zuletzt überschriebenen Gebäuden handelt es sich um neun frühere lutherische Kirchen, zumeist aus dem 19. Jahrhundert, ein Pastorenhaus, eine katholische Kirche sowie mehrere ehemalige Schlösser und Burgen des Deutschritterordens, die heute zumeist nur noch Ruinen sind: Rossitten, Insterburg, Ragnit, Keimen, Waldau, Labiau, Taplaken, Ragnit, Gardauen und Neuhausen. Der Königsberger Dom ist hingegen von der Übergabe ausgenommen und soll in staatlichem Besitz verbleiben.

Gegen den Beschluss des Regionalparlaments regte sich gleich von mehreren Seiten Kritik: Auf der einen Seite protestierten Vertreter von kulturellen und sozialen Einrichtungen, die seit sowjetischer Zeit in vielen enteigneten Kirchgebäuden untergebracht sind (z. B. die Philharmonie in der ehemaligen katholischen Pfarrkirche «Zur Hl. Familie» oder das Puppentheater in der früheren lutherischen Kirche der Königin Luise aus dem 18. Jahrhundert), bei Gouverneur Nikolaj Zukanov: Mit der Übergabe der von ihnen gemieteten Gebäude an die Russische Orthodoxe Kirche habe man sie vor ein Fait accompli gestellt. Die Übergabe wie die Vorgehensweise schädigten das Ansehen der Lokalregierung und der Russischen Orthodoxen Kirche und bedeuteten «eine Katastrophe für die Kultur der Region und den Tourismus».

Auf der anderen Seite kritisierte der katholische Priester Alexander Krevskij den Beschluss des Regionalparlaments: Die katholische Gemeinde «Zur Hl. Familie» in Kaliningrad, die gegenwärtig nur über eine kleine Kapelle verfügt, bemühe sich seit vielen Jahren um die Rückgabe ihrer früheren Pfarrkirche. Bisher hätten die Behörden stets darauf verwiesen, dass in der Kirche die Philharmonie untergebracht und daher eine Rückgabe ausgeschlossen sei. Daher sei es unverständlich, warum nun plötzlich doch ein neues Gebäude für die Philharmonie gefunden worden sei, das Gotteshaus aber der Russischen Orthodoxen Kirche übergeben würde.

Ob der Beschluss des Kaliningrader Parlaments wirklich umgesetzt wird, hängt auch von den abschließenden Beratungen zum neuen Restitutionsgesetz ab, das die russische Duma noch keineswegs endgültig verabschiedet hat (s. G2W 11/2010, S. 8f.). Vor diesem Hintergrund erklärte die Eparchie Kaliningrad, dass die bisherigen Mieter die Gebäude räumen müssten, falls das neue Gesetzt in Kraft trete. Zudem sei jegliche Entscheidung, welche die Interessen der Orthodoxen missachte, ungerecht, da sie die Rechte derjenigen beschneide, die in der absoluten Mehrheit seien. Die Eparchie plane, leer stehende Objekte zu schützen und mit der Zeit zu restaurieren. Mit den bisherigen Mietern wolle sie unbefristete Verträge über eine unentgeltliche Nutzung abschließen. Sie habe dies bereits mit Musikschulen, Kliniken sowie kulturellen Einrichtungen getan, die in Kirchgebäuden untergebracht sind, die der Russischen Orthodoxen Kirche bereits früher übergeben worden sind.

www.portal-credo.ru, 26.10.–2.11.; www.religio.ru, 2. November 2010 – O.S.

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