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Patriarch Kirill auf Pastoralbesuch in Weißrussland

30. November 2009

Vom 25. bis 28. September stattete Patriarch Kirill I. Weißrussland einen Pastoralbesuch ab, der auch politischen Charakter hatte. Das Verhältnis zwischen Russland und Weißrussland hat sich nach dem Gasstreit im vorletzten Winter merklich abgekühlt, die weißrussische Führung strebt nach größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit von Russland und sucht intensivere Kontakte zur EU.

Aus Sorge um eine mögliche Annäherung des Landes an die EU scheint die russische Führung den Patriarchen wohl als Emissär für ihre Interessen genutzt zu haben: Bereits im Vorfeld hatte der Leiter der Informationsabteilung der Russischen Orthodoxen Kirche, Vladimir Legojda, erklärt, die Visite des Patriarchen werde «die brüderliche Einheit der beiden orthodoxen Völker stärken und die zwischenstaatlichen Beziehungen verbessern». Auch wenn es sich um eine Pastoralvisite handle, so könne ein «liebevoll gesprochenes» Hirtenwort auch «die Lage im gesellschaftlichen und politischen Raum entspannen».

Bei seiner Ankunft am Flughafen in Minsk erklärte der Patriarch, er sei «sehr leichten Herzens» nach Weißrussland gereist, das «Teil der heiligen Rus'» sei, ein sich dynamisch entwickelnder souveräner Staat mit außergewöhnlich guten Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Große Bedeutung messe er dem Dialog mit Präsident Lukaschenko bei und freue sich auf die Begegnung mit Vertretern der weißrussischen Öffentlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit verdiene die geopolitische Lage des Landes, dessen Volk «in einer Grenzgegend» lebe, unter der er die «Zivilisationsgrenze Europas» verstehe, die Weißrussland vor viele Herausforderungen stelle.

In Minsk wurde Patriarch Kirill in der Hl. Geist-Kathedrale vom Oberhaupt des Weißrussischen Exarchats des Moskauer Patriarchats, Metropolit Filaret (Vachromeev), im Beisein aller Bischöfe sowie zahlreicher Geistlicher und Gläubiger empfangen. Am Abend gab Präsident Lukaschenko ihm zu Ehren einen feierlichen Empfang mit anschließendem Konzert im Palast der Republik, zu dem zahlreiche Politiker, führende Geistliche und Personen des öffentlichen Lebens geladen waren. Dort appellierte Kirill I. in einer Rede an «alle Politiker und Eliten Russlands und Weißrusslands, dem Bund zwischen unseren Ländern Sorge zu tragen, der mit Zustimmung des Willens der Völker und [...] dem Segen der Kirche entstand». Der Zusammenbruch der UdSSR habe nicht nur das soziale, wirtschaftliche und politische Leben destabilisiert, sondern hätte fast zur Feindschaft zwischen den brüderlichen slawischen Völkern geführt. Doch die Führungen beider Länder hätten die Lage gemeistert und in einer «schicksalhaften Entscheidung» ihren Bund besiegelt. Weißrussland sei für die Bürger Russlands nicht nur der wichtigste GUS-Partner, sondern «der zuverlässigste Verbündete auf der ganzen Welt». Die heutige Entwicklung beider Staaten zeige, dass das Potential beider Länder eine «spürbare Kraft» sei - sie spielten «eine selbständige und einzigartige Rolle auf dem eurasischen Kontinent», ohne sie seien «alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen europäischen Systeme undenkbar». Die Souveränität beider Staaten müsse «respektiert», gleichzeitig aber ihre geistige Einheit bewahrt werden, da «nur sie» fähig sei, «unsere gemeinsame blühende Zukunft zu sichern». Zu dieser Bruderschaft zählten auch Ukrainer, Moldauer sowie andere Völker «des einigen Zivilisationsraumes, der historischen hl. Rus'». Es sei «die Aufgabe unserer Völker, nicht nur unsere Identität zu bewahren, sondern auch Prozesse zur Gesundung des gesamten europäischen Kontinents anzustoßen.»

Lukaschenko dankte dem Patriarchen, dessen Besuch «der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche einen neuen dynamischen Impuls» gebe. Das Schicksal der Orthodoxen Kirche sei mit dem des Landes unauflöslich verbunden, zwischen Kirche und Staat bestehe ein genuin partnerschaftliches Verhältnis. Das Potential der Orthodoxie und die Möglichkeiten ihres Einflusses auf die Gesellschaft seien noch lange nicht ausgeschöpft. Jetzt sei es wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche zu intensivieren, um «die moralischen Grundlagen der Gesellschaft zu stärken und das kulturelle Erbe zu bewahren». Tags darauf besuchte Kirill I. die Eparchialleitung sowie das theologische Institut an der staatlichen Universität Minsk; weitere Stationen der Reise durch Weißrussland waren Polozk und Vitebsk, wo der Patriarch der Opfer des Nationalsozialismus gedachte.

www.portal-credo.ru, 25.-28. September; www.religare.ru, 25.-28. September 2009 - O.S.

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