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Orthodoxe Kirchgemeinde von Nizza kritisiert Gerichtsurteil als «Ohrfeige»

06. April 2010

Zum Urteil des Landgerichts Nizza, welches das Besitzrecht an der orthodoxen Kathedrale Hl. Nikolaj dem russischen Staat zusprach, veröffentlichte der Diözesanrat der «Erzdiözese der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa» (Patriarchat Konstantinopel) mit Sitz in Paris am 29. Januar folgende Erklärung:

«Der Rat der Erzdiözese [...], dessen Gemeinde in Nizza 1923 [...] als Kultusverein gegründet und von der französischen Verwaltungsbehörde als Besitzerin der Hl. Nikolaj-Kathedrale in das Grundbuch eingetragen wurde, bedauert, dass sich der Kultusverein des Eigentums an der Kathedrale beraubt sieht, obwohl er seit fast 90 Jahren die ununterbrochene Dauer der Liturgie sowie den kontinuierlichen Unterhalt und die Verwaltung [der Kathedrale] gewährleistet hat. Der Rat erinnert daran, dass der sowjetische Staat - als dessen Nachfolger sich die gegenwärtige Russländische Föderation präsentiert, um ihre Abstammung vom alten russischen Kaiserreich abzuleiten - 70 Jahre lang ständig antireligiöse Kampagnen entfesselt, Kirche und Gläubige verfolgt und insbesondere tausende von Kirchen in Russland zerstört hat. Mit Erstaunen hält der Rat fest, dass das Urteil eine ganze Reihe von Dokumenten absichtlich ignoriert, die beweisen, dass das Gelände, auf welchem die Hl. Nikolaj-Kathedrale errichtet wurde, Privateigentum des Zaren von Russland und nicht Eigentum des russischen Staates gewesen ist. Der Rat ist gleichermaßen darüber erstaunt, dass das Gerichtsurteil das Gesamteigentum am Gelände in Betracht zieht, während die Streitsache ausschließlich die Parzelle betreffen sollte, auf der die Kathedrale errichtet ist. Der Rat begrüßt die Entscheidung der Verantwortlichen des Kultusvereins, in Berufung zu gehen, um die historische Wahrheit wiederherzustellen.»

Die Gemeinde von Nizza reagierte mit Trauer und Entsetzen auf das Urteil, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Der Gemeindevorsteher, Erzpriester Dr. Jean Gueit, erklärte, er sei «überrascht» über ein «derart kategorisches» Urteil, das in seiner Undifferenziertheit für die französische Rechtssprechung gänzlich unüblich sei. Der Sekretär des Diözesanrates, Prof. Dr. Michel Sollogoub, schloss in einem Interview mit der russischen Tageszeitung «Jezednevnyj zurnal» politischen Druck seitens Russlands nicht aus: Es gebe Hinweise darauf, dass Russland seinen politischen Einfluss geltend gemacht habe, um die Aufmerksamkeit der französischen Behörden auf die Angelegenheit zu lenken. Der russische Staat begehe allerdings einen großen Fehler und schade seinem Image, indem er sich auf einen solchen Konflikt mit den Nachfahren der russischen Emigranten einlasse.

Prof. Dr. Nikita Struwe, Mitglied des Diözesanrates, sagte, in Nizza wiederhole sich, was vor einigen Jahren mit der Gemeinde des Metropoliten Antonij (Bloom) in London geschehen sei. Auch damals sei wie jetzt in Frankreich Druck auf das englische Gericht und die Behörden ausgeübt worden. Dieser Prozess gereiche weder der russischen Regierung und dem Patriarchat Moskau zur Ehre, das die russische Regierung gebeten habe, ihn anzustrengen, noch der französischen Justiz. Das Urteil von Nizza sei eine «Ohrfeige» für die Emigranten und deren Nachfahren.

Déclaration du Conseil de l'Archévêché au sujet de la propriété de la cathédrale de Nice, Paris, 29. Januar: www.exarchat.eu; www.portal-credo.ru, 22. Januar - 6. Februar 2010 - O.S.

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