Skip to main content

Neue Synagoge in Duschanbe/Tadschikistan eröffnet

22. Juni 2009

In der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe wurde am 5. Mai die neue - und landesweit einzige - Synagoge feierlich eröffnet. An der Zeremonie nahmen mehrere Regierungsvertreter, Botschafter, Geistliche sowie Gäste der jüdischen Gemeinde aus Israel und den USA teil. Die neue Synagoge soll einen Ersatz für die frühere, über 100 Jahre alte Gebetsstätte darstellen, die trotz weltweiter Proteste im Juni letzten Jahres abgerissen worden war, um einer breiten Zufahrtsstrasse zum neuen Präsidentenpalast Platz zu machen (s. G2W 9/2008, S. 7f.). Die neue Synagoge - ursprünglich ein säkularer Bau - befindet sich ebenfalls im Zentrum von Duschanbe; sie ist ein Geschenk von Hassan Asadullozoda, Chef der staatlichen Bank Oryon, an die jüdische Gemeinde und wurde ihr nach einer Totalsanierung und einem kompletten Innenumbau Anfang April übergeben. Die jüdische Gemeinde zählt mittlerweile nur noch 300 Glieder - zumeist betagte und mittellose Personen, die für einen Neubau niemals die benötigten finanziellen Mittel hätten aufbringen können.

Rabbiner Michail Abdurachmanov würdigte in seiner Ansprache die Eröffnung der neuen Synagoge als ein neues Kapitel in der Geschichte der jüdischen Gemeinde des Landes. Er dankte dem Mäzen Asadullozoda in bewegten Worten für das «elegante und schmucke Gebetshaus», das sowohl als Synagoge als auch als jüdisches Kulturzentrum und als Begegnungsstätte dienen werde. Damit sei auch endlich der lange Streit zwischen der jüdischen Gemeinde und der Stadtverwaltung wegen der Zerstörung der alten Synagoge beigelegt. Die Juden hätten nun einen besseren und schöneren Platz für ihre religiösen Feiern. Der Stv. tadschikische Kultusminister, Mavlon Muchtorov, erklärte, mit der neuen Synagoge sei «ein positiver Schritt zur Stärkung der Beziehungen zwischen Tadschiken und Juden auf der ganzen Welt» vollzogen - auch wenn diese Synagoge staatlich noch nicht registriert sei. Der Imam der benachbarten Sariosijo-Moschee in Duschanbe, Habibullo Asamchonov, beglückwünschte die jüdische Gemeinde zur Eröffnung, die «ein Akt der Einheit, der Freiheit, des Friedens und der Gleichheit» sei. Der US-amerikanische Botschafter in Tadschikistan, Tracey Jacobson, sagte, die Teilnahme vieler jüdischer Geschäftsleute aus der ganzen Welt an dieser Feier diene als Basis und als Impuls für die Entwicklung von internationalem Handel in Tadschikistan. Bei den Juden von Duschanbe handelt es sich um sog. bucharische, ursprünglich persischsprachige Juden, deren Wurzeln in Mittelasien bis ins 1. Jhd. v. Chr. zurückreichen.

Jüdische Gemeinden entstanden in den Städten und Dörfern Mittelasiens sowie entlang der Seidenstrasse bis nach China. Nach dem Zusammenbruch des Mongolischen Reiches gerieten sie unter islamische Herrschaft. Die meisten Juden lebten ab dem 16. Jh. im Emirat Buchara und verwendeten seit dem 10. Jh. das Persische als Schrift- und Umgangssprache, während ihnen das Hebräische als Gebets- und Gottesdienstsprache diente. Bis zur sowjetischen Machtergreifung 1920 hatten die Juden im Emirat Buchara unter zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben zu leiden (spezielle Kleidervorschriften, bestimmte Verhaltensformen), sie durften kein Land besitzen und mussten in separaten Stadtvierteln leben. Kulturell gesehen standen - und stehen - sie ihren muslimischen Nachbarn weitaus näher als den Aschkenasim, den osteuropäischen Juden. In der Sowjetunion wurden sie zur «nationalen Minderheit» erklärt, deren Sprache und (religiöse) Identität zunächst förderungswürdig erschien, dann jedoch zusehends immer massiver unterdrückt wurde, so dass es Anfang der 1930er Jahre zu einer ersten Emigrationswelle bucharischer Juden kam. Sie flüchteten über Afghanistan nach Jerusalem. 1938 endete der kulturelle Sonderweg der bucharischen Juden als anerkannte Minderheit in der UdSSR. Durch den Überfall von Hitler-Deutschland auf die Sowjetunion flohen zahlreiche osteuropäische Juden nach Mittelasien bzw. wurden dorthin evakuiert und begegneten dort erstmals ihren Glaubensbrüder, zu denen sie zuvor kaum Kontakt hatten. Zwischen 1970 und 1980 emigrierten schließlich zahlreiche Juden aus Sowjet-Mittelasien nach Israel und/oder die USA. - Eine wachsende jüdische bucharische Gemeinde, die rund 2500 Personen umfasst, besteht heute in Wien.

www.ujc.org (Website United Jewish Communities), 7. Mai 2009; Th. Loy, I. Baldauf: Lebenswege. Erinnerungen Bucharischer Juden, Humboldt-Spektrum 3/2006, S. 46-49. - O.S.

Drucken