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Lettland: Umstrittener Erzbischof bleibt im Amt

20. Januar 2011
Jānis Vanags bleibt Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands (ELKL). Vanags hatte der am 3./4. Dezember 2010 in Riga tagenden Synode der ELKL die Vertrauensfrage gestellt.

Die Synode votierte mit rund 74 Prozent (251 Stimmen für Vanags, 88 gegen ihn) für seinen Verbleib an der Spitze der Kirche. Vanags war wegen der schwierigen Finanzsituation der Kirche und einer angeblich zu großen Annäherung an die römisch-katholische Kirche in die Kritik geraten.

In einem Interview mit der Kirchenzeitung «Svētdienas Rīts» hatte Erzbischof Vanags vor der Synode erklärt, dass er die Vertrauensfrage vor allem deshalb stelle, weil «sowohl in lettischer Sprache als auch in anderen Sprachen Bekanntmachungen um die Welt kursieren, dass niemand mehr unserer Kirchenleitung vertraut. Sollte das wirklich so sein, dann gibt es für mich keinen Anlass, nur noch einen Augenblick im Amt zu bleiben.» Zwar sehe die Verfassung der ELKL eigentlich keine solche Befragung der Synode vor, doch sei sie für eine zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit unumgänglich geworden.

Mit der Vertrauensfrage reagierte der Erzbischof auf die zunehmenden Vorwürfe, dass die ELKL sowohl in Lettland als auch im Ausland immer mehr an Vertrauen verliere. Kritiker werfen ihm unter anderem vor, für die angespannte wirtschaftliche Lage, in der sich die ELKL derzeit befindet (s. G2W 6/2010, S. 5f.), mitverantwortlich zu sein. Im Gespräch mit «Svētdienas Rīts» betonte der Erzbischof in diesem Zusammenhang, dass er zwar nicht direkt für die wirtschaftliche Leitung der Kirche verantwortlich sei, aber auch er Fehler gemacht habe: «Ich muss zugeben, dass ich [...] während der letzten Jahre meine Leitungs- und Aufsichtsfunktion nicht so wahrgenommen habe, dass die kirchlichen Finanzen vor unbedachten Plänen und Handlungen hätten bewahrt werden können.»

Erzbischof Vanags wurde auch vorgeworfen, eine zu enge Annäherung an die römisch-katholische Kirche zu betreiben. Der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Lettlands, Pfarrer Ralf Kokins, beklagte, dass «unsere Kirche praktisch keine Gemeinschaft mit dem größten Teil der evangelisch-lutherischen Kirchen Europas und in der Welt mehr hat», aber sehr wohl enge Kontakte mit Rom pflege. Zahlreiche lettische Pfarrer legten auch Protest ein, als Erzbischof Vanags die Weihe des neuen katholischen Erzbischofs Lett- lands, Zbigņevs Stankevičs, im August 2010 im lutherischen Dom zu Riga genehmigte (s. G2W 10/2010, S. 5).

Vanags steht bereits seit seiner Wahl zum Erzbischof 1993 wegen seiner konservativen Linie in der Kritik. Besonders die Rücknahme der Frauenordination sorgte in Dänemark, Schweden, aber auch teilweise in Deutschland für Befremden und Kritik; nicht zuletzt, weil auf diese Weise Frauen aus ihren Ämtern gedrängt wurden, die während der schweren Sowjetzeit in der Kirche aktiv gewesen waren. Vanags begründete diesen Schritt hingegen damit, dass die Frauenordination nicht im Einklang mit der Bibel und den lutherischen Bekenntnisschriften stehe. Erzbischof Vanags betrieb in der Folgezeit auch eine Annäherung an die US-amerikanische Lutherische Kirche – Missouri-Synode oder die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) in Deutschland, die ebenfalls beide die Frauenordination als «unbiblisch» ablehnen.

Svētdienas Rīts Nr. 14, 6. November (Übersetzung: Johannes Baumann); KNA-ÖKI, 22. November; www.selk.de, Dezember 2010 – S.K.

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