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Kontroverses neues Kirchenstatut in Russland

16. Februar 2010

Erzpriester Pavel Adelheim, bekannter früherer Dissident und Geistlicher der Eparchie Pskov, hat das vom Hl. Synod verabschiedete neue Kirchgemeindestatut, das Patriarch Kirill an der Moskauer Eparchialversammlung am 23. Dezember 2009 vorgestellt hat, scharf kritisiert.

Aus seiner Sicht verleiht das neue Statut den Eparchialbischöfen eine viel zu große Macht über die Gemeinden. Als Ausgangspunkt seiner Kritik dienen ihm die Entscheidungen des Landeskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche von 1917/18, das wichtige Reformen in - nie zuvor oder danach gekannter - Freiheit und Unabhängigkeit vom Staat verabschieden konnte. Die Entscheidungen des Landeskonzils konnten zu sowjetischer Zeit nicht umgesetzt werden und auch im postsowjetischen Russland wurden sie nur ansatzweise verwirklicht. In der Russischen Auslandskirche sowie im Erzbistum russisch-orthodoxer Gemeinden in Westeuropa (Exarchat des Patriarchats Konstantinopel) mit Sitz in Paris sind die Entscheidungen des Landeskonzils bis heute grosso modo verbindlich, insbesondere was das Kirchgemeindestatut betrifft. Dieses wurde in der Emigration an die Gesetzgebung der jeweiligen Länder angepasst. Erzpriester Adelheim hält fest, dass laut dem Statut von 1917/18 das Landeskonzil das höchste kirchliche Organ gewesen sei. Die Exekutive hätte sich auf den Hl. Synod mit dem Patriarchen an der Spitze sowie auf den Höchsten Kirchenrat verteilt, bestehend aus den Bischöfen, Geistlichen und Laien. Vorgesehen gewesen seien die Wahl und persönliche Haftbarkeit der Bischöfe sowie die Beteiligung von Priestern, niederem Klerus und Laien an der Leitung der Eparchien. In jeder Gemeinde sollten Geistliche und Laien als stimmberechtigte Glieder registriert werden. Die gesamte Kirchenstruktur sei von oben nach unten durchdrungen gewesen vom Dienst der Laien, der von der höchsten kirchlichen Macht bestätigt und geschützt worden sei. Gleichzeitig habe der Bischof über die Fülle der bischöflichen Macht verfügt, wobei sich in seiner Person die kirchliche Machtfülle manifestiert habe, nicht aber seine persönliche Willkür. Diese vernünftige Organisation hätte das Gleichgewicht der Beziehungen zwischen Hierarchie, Klerus und Kirchenvolk gesichert. Auch wenn das heutige Statut der Russischen Orthodoxen Kirche zwar formal dem von 1917/18 entsprechen würde, so hätten die späteren Konzile der Sowjetund Postsowjetzeit wesentliche Änderungen vorgenommen, die die Macht der Bischöfe entscheidend erweitert und die Kontrolle über sie annulliert hätten. Laut dem jetzt neu eingeführten Statut sei der Bischof das «höchste Leitungsor- gan der Gemeinde» und könne Vorsteher, Geistliche, Kirchenälteste, Vorsitzende des Kirchenrats sowie Mitglieder der Gemeindeversammlung nach eigenem Ermessen einstellen oder entlassen. Da jede adminis- trative, finanzielle, wirtschaftliche oder geistliche Entscheidung beim Bischof liege, hänge das gesamte Gemeindeleben letztlich von der Gunst oder der Willkür des jeweiligen Eparchialbischofs ab - dies widerspreche dem dogmatischen Gemeinschaftsprinzip (sobornost) der Kirche. Nach dem Statut von 1917/18 seien Klerus und Laien einer Eparchie an der Wahl ihres Bischofs zu beteiligen - heute würden die Hierarchen vom Hl. Synod ernannt. Darüber hinaus enthalte das neue Statut im Gegensatz zu den Statuten aus den Jahren 1988 und 2000 keinen eigenen Abschnitt über die «Gemeindeglieder», in dem dieser Begriff definiert und die Teilnahme der Gemeindeglieder am kirchlichen Leben festgelegt würde. Jetzt heiße es lediglich, Gemeinde sei «ein freiwilliger Zusammenschluss erwachsener Bürger der Russischen Föderation» und werde «gegründet durch mündige Bürger, die den orthodoxen Glauben bekennen ». Die kanonische Definition entfiele, die Beteiligung am Gemeindeleben bleibe vage. Ebenso fehlten die Begriffe «Laien» sowie «Gründer der Gemeinde», die im Religionsgesetz jedoch verankert seien. Finanzielle, wirtschaftliche sowie administrative Tätigkeiten in der Gemeinde übten Mitglieder der Kirchgemeindeversammlung aus, die jedoch weder gewählt noch ernannt würden. Jede ihrer Entscheidungen müsse vom Bischof abgesegnet werden, dessen Urteil nicht angefochten werden dürfe - erst recht vor keinem weltlichen Gericht oder einer Behörde. Damit seien Kleriker und Gemeinden schutzlos der Willkür eines Bischofs ausgeliefert.

www.portal-credo.ru, 22. Dezember 2009 - O.S.

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