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Kirchenferne Gesellschaft in Tschechien

22. Juni 2009
Im April 2009 hat die tschechische gesellschaftlich-politische Wochenzeitschrift "Týden" dem Phänomen des tschechischen Atheismus einen Artikel gewidmet.

Im März lehnte das Oberste Gericht in Tschechien einen Rekurs der katholischen Kirche gegen ein Urteil, das den Prager Veitsdom dem Staat zusprach, ab. In tschechischen Medien erfuhr dieser Entscheid kaum Aufmerksamkeit - man darf sich fragen, ob das auch dann der Fall gewesen wäre, wenn das Oberste Gericht zu Gunsten der Kirche entschieden hätte.

Berichterstattung über kirchliche Angelegenheiten in Tschechien ist weitgehend gleichzusetzen mit Meldungen über Restitutionsfragen und die nach wie vor ausstehende gesetzliche Neuregelung des Staat-Kirchen-Verhältnisses (s. G2W Nr. 9/2008, S. 9, 14-15). Nach wie vor haben die Kirchen im «heidnischsten Land Europas», wie G2W-Autor Wolfram Göll Tschechien bezeichnet hat (s. G2W 7/8/2007, S. 38- 41) mit einer eher negativen öffentlichen Meinung zu kämpfen. Dem Phänomen des tschechischen Atheismus hat die gesellschaftlich-politische Wochenzeitschrift «Týden» im April einen Artikel gewidmet. Unter dem Titel «Warum ist Jesus nicht in?» berichtete sie über das Ringen der katholischen Kirche um Anerkennung, über Neuheiden und Anhänger von östlichen Religionen in Tschechien. Während die Neuheiden an einer Hand abzuzählen sind, erfreuen sich buddhistische Veranstaltungen großer Beliebtheit; Interesse an «spirituellen » Themen besteht auch gemäß einer Umfrage der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Dagegen werden Stichworte wie «Kirche», «Gottesdienst » oder «Christentum» als uninteressant betrachtet. Im Artikel des «Týden» kommen Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche zu Wort, die sich um ein lebendiges Gemeindeleben in ihren Gemeinden bemühen - und die oft selbst aus dem Ausland stammen. Einer von ihnen, der polnische Priester Stanis?aw Góra, stellt fest, in Tschechien fehle es wohl an der religiösen Grundbildung. Dadurch seien jüngere Leute sehr empfänglich für esoterische Bewegungen. Zu Wort kommen auch drei Vertreter des öffentlichen Lebens, die auf die Frage antworten «Warum ich nicht glaube?» - ein Politiker, eine Biochemikerin und ein Maler. Insgesamt gibt der Artikel einen guten Einblick in die (nicht)kirchliche Realität in Tschechien (bzw. im besonders entkirchlichten Böhmen), wo kirchliche Heiraten zwar die absolute Ausnahme, für die standesamtliche Hochzeit aber ehemalige Kirchengebäude durchaus beliebt sind, wo wenige an Ostern die Kirche besuchen, aber Osterbräuche dennoch in den meisten Familien hochgehalten werden.

Týden Nr. 15/2009, 10. April 2009 - R.C.


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