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Bulgarische Regierung geht gegen Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Revision

22. Juni 2009

Wie erwartet, hat die bulgarische Regierung Revision gegen das Urteil des Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg zum Kirchenstreit in der bulgarischen Orthodoxie eingereicht. Im Dezember war die Regierung verurteilt worden, weil sie zu Unrecht Partei für die kanonische Kirche in deren Streit mit einer Gruppe von Spaltern ergriffen habe. Zur Begründung des Berufungsantrags führte das Justizministerium an, dass die damalige bulgarische Regierung mit ihrer Parteinahme für die Bulgarische Orthodoxe Kirche unter Patriarch Maksim keinesfalls gegen Art. 9 der Menschenrechtskonvention (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) verstoßen habe. Zudem stehe das Straßburger Urteil im Widerspruch zur bisherigen Rechtspraxis des Gerichtshofs und beruhe nicht auf Tatsachen. In dem Schreiben des Justizministeriums heißt es wörtlich:

«Das Gerichtsurteil schafft Unruhe in Bulgariens Staat und Gesellschaft sowie in der gesamten orthodoxen Welt, da es hierbei um Fragen von großer gesellschaftlicher Relevanz geht - um die orthodoxen Kanones. Das Urteil rührt an zentrale Probleme, die alle Religionsgemeinschaften und Kirchen sowie deren auf Kanones beruhende einheitliche Organisationsstruktur und Leitung betreffen. [...] Das Urteil [...] fußt auf der irrigen Annahme, dass die Regierung zu einem Zeitpunkt gehandelt habe, als eine Spaltung innerhalb der Bulgarischen Orthodoxen Kirche bestand. [...] Das Urteil lässt die Entscheidung des Panorthodoxen Konzils von 1998 völlig außer Acht, das die Überwindung des Schisma verkündet hatte. Die Bulgarische Orthodoxe Kirche ist eine einzige Kirche - und sie hat und kann keine alternativen Leitungsorgane haben. Das unrechtmäßige Tun der Kläger hat schwere juristische und praktische Folgen - ihr Ziel ist die Absetzung der rechtmäßigen Leitung der Bulgarischen Kirche. [...] Im Widerspruch zu den Prinzipien von Art. 9 der Menschenrechtskonvention sowie der bestehenden Gerichtspraxis wird der Staat durch dieses Urteil jeglicher Möglichkeit beraubt, die religiösen Rechte seiner Bürger auf der Grundlage seiner nationalen Gesetzgebung zu schützen. [...] Im vorliegenden Fall hat der Staat keinen Rechtsbruch begangen, da er ex lege ein Organ [den hl. Synod um Patriarch Maksim - Anm. G2W] als rechtmäßigen Vertreter der Bulgarischen Orthodoxen Kirche anerkannt hat, das im Einklang mit den Kanones der Orthodoxie entstanden ist und durch sein Agieren legitime Interessen verteidigte. Das Handeln des Staates war gesetzeskonform und die Gründe, auf die sich die nationalen Behörden bei ihrem Vorgehen berufen haben, sind wichtig und hinreichend: Rechtsschutz sowie Wahrung des rechtlichen und gesellschaftlichen Friedens. Das Rechtssystem eines jeden Staates muss allen Bürgern gleiche Chancen zur Wahrnehmung ihrer religiösen Rechte [...] und Chancen zum Einhalten aller übrigen Gesetze einräumen. In diesem Zusammenhang handelten die staatlichen Organe 2004 auf gesetzlicher Grundlage, wobei die reale Notwendigkeit bestand, dass sie ihre Machtbefugnisse aufgrund konkreter Forderungen ausüben mussten - im Fall der Bulgarischen Orthodoxen Kirche zum Schutz ihres Eigentums vor Personen, die die Kirche nicht zu ihren Gliedern zählt.

Die Regierung betont, dass die Staatsanwaltschaft gemäß Art. 127 der bulgarischen Verfassung das Recht hatte, für die Einhaltung der Gesetze im Land zu sorgen. Die Staatsanwaltschaft war - nachdem sie durch eine von Patriarch Maksim unterzeichnete Beschwerde des Synods termin- gerecht informiert worden war - verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesetzesverstöße zu unterbinden. [...] Das Gericht ignoriert ferner das Prinzip des Wettstreits im Gerichtsverfahren. Der Menschenrechtsgerichtshof geht mit keinem Wort darauf ein, ob die Organisation der Kläger [der «Alternative Synod» - Anm. G2W] nach kanonischem Recht oder der gültigen Gesetzgebung überhaupt legal ist, sondern setzt deren Legitimität voraus und mischt sich damit in unerlaubter Weise in den inneren Aufbau gesellschaftlicher Beziehungen ein, die auf konstitutioneller und gesetzgebender Ebene mit der Bulgarischen Orthodoxen Kirche verbunden sind. Das Zulassen und die Anwendung des diskriminierenden Vorgehens des Gerichtshofs [...] sowie der Widerspruch zu seiner bisherigen Praxis stellt das Prinzip der Anwendung gleicher Standards hinsichtlich aller Religionsgemeinschaften in den EU-Mitgliedstaaten ernstlich infrage und könnte zu einem ernsten und unzulässigen Konflikt bei der Interpretation und der Anwendung der Vorschriften der Konvention führen. [...]»

www.portal-credo.ru, 8. April 2009 - O.S.

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