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Bosnien-Herzegowina: Interreligiöses Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant'Egidio in Sarajevo

18. Oktober 2012
Zwanzig Jahre nach dem Beginn des Bosnien-Krieges hat das alljährlich von der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio ausgerichtete Friedenstreffen dieses Jahr in Sarajevo stattgefunden.

Zum Abschluss des dreitägigen Treffens vom 9. bis 11. September, das unter dem Motto «Zusammenleben ist die Zukunft – Religionen und Kulturen im Dialog» stand, verabschiedeten die Religionsvertreter einen gemeinsamen Friedensappell: «Mit aller Macht muss verhindert werden, in die schreckliche Spirale von Hass, Gewalt und Krieg zu geraten. Der Nachbar darf keinen Kampf gegen den Nachbarn beginnen, weil er einer anderen Religion oder Ethnie angehört. Nie wieder Krieg in diesem Land! Nie wieder Krieg in keinem Teil der Welt! [...] Wir sind unterschiedlich. Doch uns vereint die Überzeugung, dass ein Zusammenleben unterschied- licher Menschen überall auf der Welt möglich und sehr fruchtbar ist. [...] Die Zukunft muss verantwortungsvoll gestaltet werden. In dieser Hinsicht tragen die Religionen eine große Verantwortung. [...] Gottes Wille ist ein Zusammenleben in Frieden. Hass, Spaltung und Gewalt stammen nicht von Gott.»

Mit besonderer Spannung war der Auftritt des Oberhaupts der Serbischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Irinej, erwartet worden, der zum ersten Mal seit Kriegsende 1995 Sarajevo besuchte. Der Patriarch rief in seinem Grußwort zum Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Bosnien-Herzegowina auf: «Die Menschen des Landes, in dem wir uns befinden, sowie die Menschen der benachbarten Länder haben im Laufe ihrer vergangenen und jüngeren Geschichte viel Leid erlebt und viele Tote beklagen müssen. All das ist im geschichtlichen Gedächtnis der Menschen dieser Region eingeprägt, aber nicht als ein Aufruf zur Vergeltung, sondern als Erinnerung und Geleit auf die Zukunft hin. Eine Zukunft, die von uns allen einen Willen zu Frieden, Gastfreundschaft, gegenseitigen Respekt und Vergebung erfordert sowie das Bewusstsein der Notwendigkeit, in einer großen Gemeinschaft von Menschen zu leben.»

Symbolisch besuchte der Patriarch auch den Vorabendgottesdienst in der katholischen Kathedrale, während Erzbischof Vinko Kardinal Puljić von Sarajevo am Sonntagmorgen der orthodoxen Kathedrale einen Gegenbesuch abstattete. Auch zwischen Repräsen- tanten der bosnischen Muslime und dem Patriarchen und Mitgliedern des Hl. Synods kam es hinter den Kulissen mehrfach zu Begegnungen.

An dem Friedenstreffen wurde jedoch ebenfalls deutlich, wie belastet die Be- ziehungen zwischen der Islamischen Gemeinschaft und der Serbischen Orthodoxen Kirche immer noch sind: So warf Bischof Grigorije (Durić) von Zahum-Herzegowina dem Oberhaupt der bosnischen Muslime, Reisu-l-ulema Mustafa ef. Cerić, an einer Podiums- veranstaltung vor, Bosnien-Herzegowina in einen islamischen Staat verwandeln zu wollen. Cerić wiederum forderte von der serbischen Seite ein Wort des Bedauerns für die serbischen Verbrechen während des Bosnien-Krieges. «Wir können Ungerechtigkeit ertragen, denn absolute Gerechtigkeit kann es nicht geben», sagte Cerić, «aber was wir nicht vertragen können, ist Unwahrhaftigkeit.» Der Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio und jetzige italienische Minister für Integration und Entwicklungszusammenarbeit, Andrea Riccardi, versuchte zu vermitteln. Er betonte, es gebe «Unterschiede in den Botschaften, weil die Erinnerungen unterschiedlich sind». Allerdings gebe es bei allen Teilnehmenden auch et- was, das stärker sei, nämlich die «Sehn- sucht nach einem Klima des Friedens und der Koexistenz».

www.santegidio.org; Kathpress, 12. September; IKA Vijesti Nr. 37, 12. September; FAZ, 13. September 2012 – S.K.

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